Ruhrhalbinsel/Südosten. .

Es sind wahre Perlen, die Stadtteile im Süden und Südosten Essens. Im Jahr der Kulturhauptstadt als „Ruhrperlen“ geadelt, reihen sie sich links und rechts der Ruhr wie an der Schnur gezogen – und jede „Perle“ schimmert anders, jeder Stadtteil birgt seine eigenen Anekdoten, die sich um seine Historie ranken. In der Sommerserie „Perlen an der Ruhr“ wollen wir die Stadtteile im Südosten und auf der Ruhrhalbinsel daher einmal näher beleuchten. Der erste Teil führt nach Burgaltendorf.

Burgaltendorf ist in der Tat etwas ganz Besonderes, ist er doch der einzige unter den „Ruhrperlen, der im Laufe der Zeit den Namen änderte. So wurde im Jahr 1970 im Zuge der Eingemeindung nach Essen aus Altendorf-Ruhr das uns heute bekannte Burgaltendorf. Entscheidenden Anteil an der Namensgebung hat die Burg Altendorf, das unumstrittene Wahrzeichen und Alleinstellungsmerkmal des Stadtteils, gilt doch der begehbare, rund 20 Meter hohe Burgturm aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts als einziger seiner Art zwischen Rhein und Weser. Vom Heimat- und Burgverein aufwändig gepflegt, dient der Turm heute nicht selten als stilvolle Kulisse für Hochzeitsfotos.

26 Straßen umbenannt

Im Rahmen der Umbenennung stellte sich heraus, dass 26 Straßennamen Burgaltendorfs bereits anderorts existent waren. Laut Erlass wurde geregelt, auch diese Namen zu ändern – 13 davon im übrigen Stadtgebiet und 13 in Burgaltendorf selbst. „So wurde beispielsweise aus der „Hauptstraße“ die „Alte Hauptstraße“. Das heute im Westen der Stadt noch immer existierende Altendorf ist jedoch längst nicht originär, wie Dieter Bonnekamp, Vorsitzender des Heimat- und Burgvereins Burgaltendorf, weiß: „Altendorf gibt es in Deutschland sicherlich gut und gerne 30 Mal.“

Die Burgaltendorfer können also gut mit ihrem neuen Namen leben, zumal ihr Stadtteil noch einiges Interessantes und Einzigartiges zu bieten hat. Beispielsweise der Bergbau, der in Burgaltendorf schon sehr viel früher als anderswo nachweisbar ist. „Als auf Zollverein noch die Wildpferde grasten, wurde bei uns in Burgaltendorf bereits Kohle abgebaut“, erklärt Bonnekamp. Ab 1722 entstehen etliche Stollenzechen. Später, um 1832, gab es so genannte Tiefbauzechen wie beispielsweise „Steingatt“ und „Charlotte“, wobei letztere den tiefsten Schacht aller Zechen an der Ruhr besaß. Aus 1060 Meter Tiefe wurde die Kohle damals mit Seilmaschinen – einer Methode, die damals nur in Lothringen praktiziert wurde – ans Tageslicht befördert.

Eimerweise Alkohol gestohlen

Aus dieser Zeit stammt auch das letzte, sichtbare Stollenmundloch „Altendorf 1863“, das beizeiten von der Zeche Altendorf Tiefbau angelegt wurde. Die im nördlich gelegenen Schacht Rochussen geförderte Kohle wurde durch diesen Schacht zutage gebracht und über eine Brücke zur Eisenbahnverladung in Dahlhausen gefahren – per Pferde-Eisenbahn. Die Zechenbrücke war jedoch nicht für den öffentlichen Verkehr freigegeben.

Um besagtes Stollenmundloch ranken sich einige Geschichten. Bis weit in die 1930er Jahre als Sprengstofflager verwendet, diente es bis Ende des Zweiten Weltkrieges einer Hattinger Schnapsbrennerei als Magazin. Als es nach dem Krieg noch an staatlicher Ordnung mangelte, wurde das Schnapslager gestürmt und ausgeplündert. „Damals haben die Leute den Alkohol eimerweise gestohlen“, weiß Dieter Bonnekamp. Ein zweitägiges Gelage auf den Straßen war die Folge. Später beherbergte der Schacht einen Champignon-Keller, bevor er endgültig verschlossen wurde.

Turmsenkung um 30 Zentimeter

Eine nähere Betrachtung ist jedoch durchaus auch die katholische Herz-Jesu-Kirche im neoromanischen Baustil wert, die als eine der größten ihrer Art im Bistum Essen gilt. Eigentlich sollte die Kirche zwei Türme erhalten, doch es fehlte das nötige Geld. Als schließlich doch mit dem Bau des nördlichen Turmes begonnen wurde, kam es zu einem bautechnischen Eklat. Der Turm senkte sich um 30 Zentimeter ab. Glücklicherweise senkrecht, sonst hätte man heute in Burgaltendorf wohl mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie beim „schiefen Turm von Pisa“. Die Folgen der Turmsenkung sind jedoch noch immer sichtbar. Am Eingang der Kirche befinden sich zwei Weihwasserbecken, von denen das eine deutlich tiefer hängt als das andere. Die Herz-Jesu-Kirche ist also regelrecht aus den Fugen geraten.

Aus alter Mühle wird ein Haus

In Schieflage geraten ist auch die Windmühle eines Bochumer Bauern, in der von 1868 bis 1919 Korn gemahlen wurde und an die nur noch die Straße „An der Windmühle“ erinnert. Zwei Jahre nach Stilllegung trug sie ein Bürger Stein für Stein ab, um sich daraus am nahe gelegenen Wasserturm ein Haus zu bauen. So blieb die historische Mühle, wenn auch in gänzlich anderer Form, erhalten, denn das Haus steht heute noch.

Das Zentrum fehlt

Burgaltendorf gilt, wie der Essener Süden allgemein, als bevorzugtes Wohnquartier. Hier findet sich viel Grün, das auch eine Reihe von Spazier- und Wanderwegen begleitet. Besucher genießen vielerorts den freien Blick nach Norden und Osten, von der Essener Skyline bis zur Hattinger Altstadt. Der Stadtteil zeichnet sich durch ein überschaubares, aber reges Vereinsleben aus, oft initiiert durch die katholische Kirche. So zählen die Konzerte der heimischen Chöre in der Herz-Jesu-Kirche und der großen Comeniushalle zu den erklärten kulturellen Höhepunkten des Jahres. Wobei die Events auf der Burg – Mittelalter- und Ritterfest – natürlich nicht vergessen werden dürfen. In den Sommermonaten findet zudem die Veranstaltungsreihe „Texte und Töne im Turm“ statt, die sich im Laufe der Jahre zu einer echten Institution entwickelt hat.

Fragt man Dieter Bonnekamp, den Chef des Heimat- und Burgvereins, so leidet Burgaltendorf einzig und allein unter seiner ureigenen Topographie als klassisches Straßendorf. „Ich würde mir wünschen, dass es in näherer Zukunft gelingt, ein Zentrum im Stadtteil zu schaffen, schon um die Einkaufsmöglichkeiten im Quartier zu bündeln. Denn momentan ziehen sich diese praktisch von Überruhr bis hin zur Hattinger Grenze.“

Weitere Infos über die Historie des Stadtteils sowie den Freizeitmöglichkeiten finden sich im neu aufgelegten Stadtplan Essen in der Sonderausgabe „Ruhrperlen“.