Steele/Stoppenberg. „Ich bin erst seit ein paar Wochen hier dabei”, erzählt der 15-jährige Sergej Vib aus Steele, „aber mir gefällt das hier ganz gut.” Sergej ist einer der 50 Teilnehmer des Boxprojekts des Vereins für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten (VKJ).

In einer Turnhalle hinter dem Jugendzentrum Stoppenberg an der Gelsenkirchener Straße 89a nehmen Jugendliche aus allen Stadtteilen an dem Training teil, darunter auch Sergej. Über den Sport lernen die jungen Leute Tugenden wie Disziplin, Fairness und Selbstbeherrschung.

Boxen in Essen am 11.03.2009 in der Sporthalle Stoppenberg, Gelsenkirchener Str. 89a. Boxprojekt mit Jugendlichen verschiedener ethnischer Gruppen. Foto: Arnold Rennemeyer
Boxen in Essen am 11.03.2009 in der Sporthalle Stoppenberg, Gelsenkirchener Str. 89a. Boxprojekt mit Jugendlichen verschiedener ethnischer Gruppen. Foto: Arnold Rennemeyer © WAZ

Das Boxprojekt wurde zunächst speziell für die Stadtteile im Essener Norden entwickelt, um vor allem dort das interethnische Zusammenleben zu verbessern. Mehrfach war es unter anderem in Katernberg zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Jugendgangs unterschiedlicher Herkunft gekommen.

„Über das Boxtraining lernen die Jugendlichen, in der Gruppe sportlich miteinander umzugehen. Zudem wird ihr Aggressionspotenzial dadurch kanalisiert, dass sie sich in der Halle und am Sandsack verausgaben können”, sagt Oliver Kern, VKJ-Geschäftsführer. Ausdrücklich sind dabei jedoch auch interessierte Jugendliche aus den anderen Essener Stadtteilen willkommen. Denn bei dem Boxprojekt geht es nicht nur um die Senkung der Aggressivität, sondern darüber hinaus auch um die Vermittlung von sportlichen Erfolgserlebnissen und die Entwicklung einer höheren Leistungsbereitschaft.

Leistungsbereit ist auch der aus Russland stammende Sergej Vib. Die Konzentration ist in seinen Augen bereits beim Warmlaufen und beim anschließenden Schattenboxen zu sehen. Sein Blick ist auf den kasachischen Trainer Victor Ginkel gerichtet, der mit ruhiger, aber bestimmter Stimme die Aktionen ansagt, die die Jugendlichen dann ausüben müssen. Die Nachwuchssportler schlagen einen linken Jab, lassen eine rechte Gerade folgen. Dann wird die Sache schwieriger: Nach dem linken Jab und der rechten Geraden schicken sie noch einen linken Haken hinterher. So wie sie es aus dem Fernsehen kennen, wenn Boxchampions wie die Klitschkos antreten.

Namen wie Klitschko, Tyson und Ali sind stets präsent beim Boxprojekt. Doch wie die anderen Teilnehmer hat auch Sergej noch ein anderes Vorbild: Robert Tlatlik aus Steele-Horst – und mit dem kann er bei dem Boxprojekt persönlich trainieren. Der 20-jährige Deutsche Meister im Amateurboxen schwitzt ebenfalls mit dem Boxnachwuchs. „Ich finde es echt klasse, dass man Jugendarbeit mit Boxtraining verbindet”, sagt Tlatlik und arbeitet mit einigen Teilnehmern weiter an deren Schlagtechnik.

Dass man mit Boxen hervorragend Sozialarbeit betreiben kann, zeigte in den 80ern in den USA das Beispiel Mike Tyson. Den legendären Boxweltmeister, der auf den Straßen New Yorks aufwuchs, nahm damals der Weltmeistertrainer Cus D'Amato unter seine Fittiche. Tyson, der zuvor mehrfach straffällig geworden war, entwickelte sich durch das strenge Boxtraining zu einem Musterknaben – bis sein Mentor jedoch verstarb und Tyson wieder aus der Bahn geriet.

Der Rest ist Geschichte und ein Beispiel dafür, wie wichtig Nachhaltigkeit bei dem Boxprojekt des VKJ ist: Es ist auf eine Dauer von vier Jahren angelegt und wird von der Alfred-Krupp- und Friedrich-Alfred-Krupp-Stiftung mit 160 000 Euro gefördert.

„Wir finden, dass dieses Boxprojekt eine sehr gute Sache ist, die wir gerne fördern”, sagt Sigrid Schönberger, Kuratoriumsmitglied bei der Stiftung, „denn solange sich die Jugendlichen in der Halle mit Sport befassen, hängen sie nicht auf der Straße herum.”