Steele. . Jens Schmidt war kein besonders guter Schüler. Nicht, dass er faul gewesen wäre - im Gegenteil. Seine Zeit hat Jens Schmidt lieber auf dem Sportplatz verbracht, als Leichtathlet Rekord um Rekord aufgestellt statt zu Hause über seinen Büchern zu sitzen.

Jens Schmidt war kein besonders guter Schüler. Nicht, dass er faul gewesen wäre - im Gegenteil. Seine Zeit hat Jens Schmidt lieber auf dem Sportplatz verbracht, als Leichtathlet Rekord um Rekord aufgestellt statt zu Hause über seinen Büchern zu sitzen. Keine Zeit für Sprachschulen, für Auslandsaufenthalte oder Praktika in den Ferien. Das Abitur mit einem Durchschnitt von 2,9 war auch nicht gerade überragend. „Trotzdem ist etwas aus mir geworden“, grinst der heute 45-Jährige fast lausbübisch. In der Tat: Als kaufmännischer Geschäftsführer der RWE Rhein-Ruhr Netzservice GmbH sind ihm 2500 Mitarbeiter unterstellt.

Schmidt sitzt lässig auf der Kante eines wackligen Holztisches in einem Klassenraum des Carl-Humann-Gymnasiums. Vor 26 Jahren hat er an der Steeler Schule sein Abi gemacht, als einer von 13 Ehemaligen - Piloten, Ärzten und Drehbuchautoren - soll er den Oberstufenschülern beim Berufsorientierungstag von seinen Erfahrungen berichten. Und ihnen den zunehmenden Leistungsdruck nehmen. „Als ich mein Abi gemacht habe, wusste ich genauso wenig wie ihr, was ich eigentlich machen wollte“, so Schmidt. Der Unterschied zu damals liegt aber auf der Hand: Zeit.

Mit 17 Abitur, mit 21 ein erster Studienabschluss und ein Lebenslauf, der von vier Sprachen, jahrelangem sozialem Engagement und vielen praktischen Erfahrungen spricht – der Wettbewerb um Studien- und Arbeitsplätze ist heute ungleich härter. Allein nur einen Praktikumsplatz zu bekommen, berichtet eine Mutter, sei äußerst schwierig geworden. Bastian Zirkel geht in die elfte Jahrgangsstufe, Englisch und Pädagogik hat er als Leistungskurse gewählt, würde gerne Lehrer werden oder Informatik studieren. „Ich habe aber nur einen Notendurchschnitt von 2,0“, sagt der 16-Jährige. „Ob das reicht, da bin ich mir nicht mehr so sicher.“

Flut von Mitbewerbern

Denn Bastian gehört zum ersten verkürzten Gymnasialjahrgang; 2013 macht er als Teil des so genannten doppelten Abiturjahrgangs mit einer Flut von Mitbewerbern seinen Abschluss. Viel Zeit investiert er in die Schule, so viel, dass er beim Volleyball, seinem jahrelangen Hobby, längst zurückfahren musste.

Darüber schüttelt Arnd Köfler mit dem Kopf - als Maschinenbauer und Familienvater. „Ich habe lieber einen Mitarbeiter von Mitte 20, der Erfahrungen gesammelt hat, als einen jungen Menschen, der unzufrieden ist.“ Köfler hat 1986 sein Abitur in Steele gemacht, das Jahr bei der Bundeswehr genutzt, um sich seiner Wünsche sicher zu werden. „Ich will nicht, dass meine Kinder so unter Druck sind. Jugendliche sollten nach der Schule fremde Kulturen kennenlernen oder Praktika machen.“ Bastian Zirkel nimmt den Rat an: Er will ein Freiwilliges Soziales Jahr machen, auch abwarten, bis die Abgänger-Flut von 2013 abgeklungen ist.

Zurück im Klassenzimmer mit Jens Schmidt: Was, wollen die Jugendlichen wissen, ist aber nun das Geheimnis, um von einem 2,9 Abi auf dem Chefsessel zu landen? „Spaß“, sagt Jens Schmidt. Seit 1994 ist er bei RWE angestellt, hat sich hochgearbeitet vom Trainee und Bereichsleiter bis zum Führungsposten. „Da draußen werden eine Menge sehr guter Leute gesucht“, versichert er. „Sehr gut ist man aber nur dann, wenn man wirklich Spaß an seiner Arbeit hat.“