Essen-Steele.
Nach 112 Jahren schließt am Samstag „Junius Tisch und Trend“ an der Steeler Straße. Das Verschwinden des Haushaltswaren- und Geschenkeladens ist exemplarisch für den massiven Wandel, den die Steeler Straße durchlebt.
Eins der ältesten Geschäfte auf der Steeler Straße macht zu – „Junius Tisch und Trend“ schließt nach 112 Jahren an diesem Samstag. Das Verschwinden des alteingesessenen Haushaltswaren- und Geschenkeladens ist exemplarisch für den massiven Wandel, den die Steeler Straße im Schatten des Wasserturms durchlebt. In rasender Geschwindigkeit verändert die Meile ihr Gesicht. Die Steeler Straße ist weit über die Stadtteilgrenzen hinaus bekannt – nicht nur wegen ihrer baulichen Dominante, dem Wasserturm, der einem ganzen Viertel seinen Namen gibt. Sondern auch Kino-Gänger aus anderen Vierteln sind regelmäßig hier – wegen des Lichtspielhauses „Eulenspiegel“.
„Da bleibt zu wenig über für den Arbeitseinsatz, den man leisten muss.“
Ende April gab „Junius“ bekannt, dass bald Schluss ist, gab 30 Prozent auf alles. „Da haben die Leute unseren Laden gestürmt. Wenn sie früher so eingekauft hätten, müssten wir nicht schließen“, sagt Inhaber Otto Junius (72). Er betreibt mit seiner Frau das Geschäft in dritter Generation. „Ein Nachfolger hat sich nicht gefunden.“ Es habe zwar Interessenten gegeben – aber beim Blick in die Bücher hätten die abgewunken: „Da bleibt zu wenig über für den Arbeitseinsatz, den man leisten muss.“
Ein Feinkostladen, ein Blumengeschäft, eine inhabergeführte Drogerie: alle sind sie fortgezogen von der Steeler Straße oder haben ganz dichtgemacht.
Orts-Unkundige wundern sich, welche schönen Quartiere sich hier in den Seitenstraßen auftun: Vor allem südlich der Steeler Straße, zum Ostfriedhof hin, erfreuen sich Gründerzeitviertel großer Beliebtheit. „Ruhig und trotzdem grün und citynah“ könne man dort wohnen, sagt Apotheker Jan Olgemöller. Er gehört zur Standort-Initiative „Wir am Wasserturm“ und sieht die Talsohle längst durchschritten: „Der Leerstand auf der Steeler Straße war vor Jahren viel größer.“
Zahl der Back-Ketten, SB-Bäcker und Back-Cafés ist riesig geworden
Trotzdem: Gleich an der Kreuzung am Wasserturm ist „Tabak Höing“ weg – der Laden ist leer. Über der A40 wartet ein altes Kinogebäude, vermutlich aus den Fünfzigern, seit Jahren auf neue Nutzer. In Richtung City wird es düster – dreckige Fenster, verklebt mit Plakaten. Eine türkische Bäckerei feiert „Neueröffnung“, doch in der Tür hängt schon wieder ein Zettel: „Zu vermieten.“ A propos Bäckerei: Die Zahl der Back-Ketten, SB-Bäcker und Back-Cafés ist riesig geworden auf der Steeler Straße. Peter Valerius, Bezirksbürgermeister des Bezirks I, zu dem das Südostviertel zählt, wundert sich: „Die Leute frühstücken heute lieber in solchen Läden als zu Hause, geben dafür viel Geld aus.“
Stimmt: Wer seinen Kaffee lieber „to go“ trinkt als zu Hause, braucht auch kein feines Porzellan mehr. Haushaltswaren-Händler Junius: „Die Kundschaft hat sich in den Jahren sehr verändert.“
Die alteingesessenen Bürger, die seit Jahrzehnten im Viertel leben, sterben aus. Wer nachzieht, bleibt oft nicht lange. Nördlich der Steeler Straße, zur A40 hin, stehen einige Wohnungen leer. Die meisten, die neu kämen, hätten „keine emotionale Verbindung“ zu diesem Quartier, hat Florian van Rheinberg festgestellt. Er leitet das Stadtteilzentrum „Storp 9“. „Das ist mancherorts ein Kommen und Gehen.“
Otto Junius will sich trotz seines Ruhestands auch künftig für die Belange des Viertels einsetzen. Und Apotheker Olgemöller verweist auf Erfolge, die man mit der Standort-Initiative feiere: Eine erstmals organisierte Oldie-Nacht im letzten Winter sei sehr gut angekommen. „Wir tun, was man tun kann“, sagt Olgemöller. Doch mit jedem inhabergeführten Laden, der dichtmacht, wird die Arbeit schwerer: Denn der Versuch, Filialbetriebe oder irgendwelche Internet-Cafes für die Mitarbeit einer lokalen Standort-Initiative zu gewinnen, ist meistens aussichtslos.