Essen-Leithe. Die Essenerin Annika Diether war die einzige Frau auf der Kfz-Meisterschule. Sie hat die Prüfung bestanden, Männer hingegen kaum.
Die Kfz-Werkstatt samt Büros an der Lahnbeckestraße sind ihr zweites Zuhause und das von Kindesbeinen an. Das verwundert nicht wirklich, wenn man wie Annika Diether in der Familie aufwächst, der das Autohaus gehört. Da war dann auch die Berufswahl schnell entschieden und die Frage eines künftigen Arbeitgebers ebenso. Inzwischen ist der 23-Jährigen nach der erfolgreichen Ausbildung ein weiterer Karrieresprung gelungen. Sie hat den Meistertitel erworben und das mit unter besonderen Vorzeichen.
Einsatz für den Familienbetrieb im Essener Stadtteil Leithe
Unter den 30 Anwärtern auf der Meisterschule, die sie ein Jahr in Vollzeit bei der Handwerkskammer Düsseldorf besucht hat, war sie die einzige Frau. Und am Ende gehörte sie zu den gerade mal sechs Prüflingen, die auch bestanden haben. Sie habe sich schon ganz schön ranhalten müssen, um während des Lehrgangs den Anschluss nicht zu verlieren, verrät Annika Diether. Doch da sie nun mal ein Ziel klar vor Augen hatte und ihr daran gelegen war, neu erworbenes Wissen und Können in das Unternehmen einzubringen, zeigte sie Einsatz - so wie es die Familie und die Belegschaft von ihr kennen. Warum so viele Teilnehmer beim Abschluss scheiterten, verwundert sie einerseits schon, anderseits konnte sie sich auch des Eindrucks nicht verwehren, dass vielleicht einige den Kurs doch zu sehr auf die leichte Schulter genommen haben.
Damit während der Schulungsphase der Kontakt zum Betrieb nicht vollkommen abriss, war sie noch in Teilzeit für das Autohaus tätig. Vollkommen ohne die Firma zu sein, ist für sie ohnehin undenkbar. Familie und Firma bilden hier eine Einheit. „Wir verstehen uns alle sehr gut“, betont die frisch gebackene Meisterin. Ihre Schwester, Julia Diether-Erhardt, ist ebenfalls im Unternehmen tätig, hat ein Wirtschaftsstudium absolviert und nach einer halbjährigen Babypause wieder ins Berufsleben zurückgekehrt.
Junge Kfz-Meisterin legt besonderen Wert auf Elektromobilität
Während die heutige 27-Jährige die Uni besuchte, absolvierte Annika Diether die praktische Ausbildung im Familienunternehmen. Sich als junge Frau in einer Männerwelt zu behaupten, gelang ihr vor allem durch ihre eigene Schlagfertigkeit. „Ich bin ja nicht aus Zucker“, sagt sie. Falls mal entsprechende Sprüche gefallen waren, hätte sie durchaus Paroli bieten können. Entscheidend sei letztlich die fachliche Kompetenz und ferner der faire Umgang miteinander. Die Erfahrungen, die sie daheim gewinnen konnte, kamen ihr letztlich in Düsseldorf zugute. Denn als einzige Frau habe sie sich in dem Lehrgang doch immer wieder beweisen müssen.
Bereits die dritte Generation wirkt im Familienbetrieb mit
Das Autohaus Diether blickt bereits auf eine 45-jährige Geschichte zurück. 1975 haben Karl-Heinz Diether einen kleinen Volkswagenbetrieb mit seinerzeit fünf Beschäftigten übernommen und den Standort in Leithe fortwährend ausgebaut. Heute hat der Betrieb 60 Beschäftigte und ist nach wie vor Vertragspartner von VW.
Derzeit lenkt mit den beiden Brüdern Thomas und Markus Diether die Nachfolgegeneration die Geschicke des Unternehmens. Mit Annika und Julia Diether-Erhardt, Töchter von Thomas Diether und seiner Frau Anke, wirkt nun die dritte Generation in dem Betrieb mit.
Über die gelungene Meisterprüfung von Annika Diether freut sich unter anderem auch der Präsident der Düsseldorfer Handwerkskammer, Andreas Ehlert. Er sieht darin ein positives Beispiel für den beruflichen Erfolg von Frauen in einer Männerdomäne. Zudem verweist Ehlert darauf, dass 2019 im Kammerbezirk der Anteil der weiblichen Absolventen an den Meisterprüfungen im Vergleich zum Vorjahr von 20 auf 23 Prozent gestiegen ist. Allerdings habe sich der Anstieg nicht in allen Meisterberufen im gleichen Maß vollzogen.
Vor allem in den technologisch geprägten Branchen wünsche er sich noch mehr Frauen, die einen der dort angebotenen Berufe ergreifen, meint der Präsident. Er hebt zugleich auf die Chancen und Aufstiegsmöglichkeiten ab, die das Handwerk insgesamt biete.
Ein besonderes Augenmerk richtet Annika Diether schon seit längerem auf die Elektromobilität. Über kurz oder lang werden nach ihrer festen Überzeugung E-Fahrzeuge eine viel stärkere Rolle spielen, auch wenn derzeit noch Verbrennungsmotoren den Markt beherrschen. Das Autohaus selber trage dem Wandel ebenfalls Rechnung, indem Elektroautos und Hybridmodelle zum Angebotssortiment gehören. Doch nicht nur das. Auszubildende legen einen Schwerpunkt auf System- und Hochvolttechnik und folgen damit Annika Diether, die damit begann. Sie gehörte im Bundesland Nordrhein-Westfalen zu den ersten Absolventinnen dieser neuartigen Spezialisierung.
Autohaus kümmert sich um Hygieneregeln
Mit dem Meisterbrief hat sie jetzt auch den Ausbilderschein in der Tasche, kümmert sich um die Schulung der neun Auszubildenden in den Berufen Kfz-Mechatroniker und Karosseriebauer. War sie früher vornehmlich in der Werkstatt tätig, hat sich nun ihr Aufgabenfeld verlagert. Als Serviceberaterin ist ihr Arbeitstag durch Büroarbeit und Kundenkontakte geprägt. Die Corona-Zeiten bringen, wie sie bestätigt, neue Herausforderungen mit sich. Unter anderem habe man im Unternehmen feste Teams gebildet, die abwechselnd im Dienst seien. Zudem seien umfangreiche Hygienemaßnahmen getroffen worden, unter anderem die Desinfektion von Innenräumen der Autos, die zur Reparatur abgegeben werden. Ferner biete man eine kontaktlose Fahrzeugannahme an. Kunden können ihren Wagen auf dem Gelände der Firma abstellen, den Schlüssel und Auftrag in einem Safe hinterlassen.
Bei den gesamten Planungen der Regeln in Corona-Zeiten habe sich gezeigt, dass Teamarbeit im Autohaus groß geschrieben werde, so Annika Diether. Das wisse sie sehr zu schätzen, und das sei auch ein starkes Argument, dem Betrieb die Treue zu halten.