Burgaltendorf. Genau 141.850 ausrangierte Brillen hat Pastor Gerhard Witzel seit 2009 für den Verein Nangina gesammelt. Die Sehhilfen gehen nach Westafrika.

Am „Bartimäus-Sonntag“ in katholischen Gemeinden werden am 6. Oktober nicht nur in den Kirchen im Essener Süden wieder eine Menge gebrauchter Brillen für den Wittener Verein Nangina zusammenkommen. Pastor Gerhard Witzel wird sie mit einem ehrenamtlichen Helferkreis nach und nach kistenweise aus Bochum, Bottrop, Gelsenkirchen, Witten und anderen Orten im Bistum abholen lassen. Dann beginnt das große Vorsortieren.

Fester Helferkreis sortiert kistenweise Brillen im Gewerbegebiet

In Burgaltendorf hat die Firma Hegler im Gewerbegebiet an der Worringstraße 252 a dafür einen Raum zur Verfügung gestellt, was dem Priester die Arbeit erleichtert. Fast täglich landen Brillen in Witzels Briefkasten. Und die Rückbank seines kleinen Autos ist immer voll mit Kisten. „Das geht seit 2009 so“, sagt Haushälterin Gaby Eisel mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Bisweilen findet die 69-Jährige die Sammelleidenschaft ihres Chefs anstrengend, doch sie unterstützt ihn tatkräftig dabei. Und kann auch andere für den guten Zweck begeistern. Regelmäßig helfen einige Mitglieder des Katholischen Frauenverbandes kfd aus der Gemeinde Herz Jesu, wenn wieder mal größere Konvolute eingetroffen sind. „Ohne meine Helfer hätte ich das Nangina-Projekt keine zehn Jahre durchziehen können“, erklärt Witzel.

Der „Brillen-Pastor“ wird nicht müde

In vielen Gemeinden in und um Essen ist der engagierte Ruheständler schon als „der Brillen-Pastor“ bekannt. Darüber freut sich der gebürtige Sauerländer natürlich. Aber auch mit nunmehr 83 Jahren wird Witzel nicht müde, sich weiter nicht nur in lokalen Projekten, sondern auch für Bedürftige in Ostafrika und Südamerika zu engagieren. 2009 hatte der Geistliche nach 33 Berufsjahren als Pfarrer in St. Thomas Morus in Vogelheim, wo er 1966 als Kaplan angefangen hatte, und einigen zusätzlichen als Pastor im Besonderen Dienst im Süden der Stadt das Essener Büro des Wittener Vereins Nangina gegründet und die Brillensammlung eingeführt. Mit Erfolg: „Seitdem haben wir 141.850 gebrauchte Gestelle gesammelt.“

Bartimäus-Sonntag wird am 6. Oktober gefeiert

Neben Gemeinden und Privatleuten sammeln sogar Optiker mit. Witzel: „Heute spricht man von Nachhaltigkeit und achtet stärker auf die Umwelt.“ Auch das Brillen-Upcycling hilft, eine Menge Müll zu vermeiden. „Eine Lesehilfe kostet in Afrika im Schnitt sechs bis acht Monatslöhne. Oft ist der nächste Optiker hunderte Kilometer entfernt.“ Vor vier Jahren stellte der Geistliche den ersten Bartimäus-Sonntag im Bistum auf die Beine, um einmal im Jahr an die gute Sache zu erinnern. Der Name geht auf die Heilung des blinden Bettlers aus dem Markus-Evangelium zurück. Neben Brillen nimmt der Verein auch ausgemusterte Handys und Hörgeräte an.

Kontakt zum Verein

Firmen, Privatleute und Gemeinden können gebrauchte Brillen für den Verein Nangina abgeben.

Weitere Infos zu Sammelstellen und Projekten: Nangina-Büro Essen, Gerhard Witzel, Telefon 8392011, Mail: gerhard-witzel@web.de.

Der Nangina e.V. unterstützt Projekte im Gesundheits- und Bildungsbereich in Ostafrika sowie in Honduras. Ziel ist es, den Ärmsten eine Perspektive zu geben, aber gleichzeitig eine Eigenständigkeit der Projekte zu fördern. Aktiv ist der Verein unter anderem in Kenia, Tansania und Äthiopien.

Geld sammeln 80 Jugendliche, die an den Wochenenden mit Kleinbussen in deutsche Kirchengemeinden reisen und in einem Sprechspiel von den Sorgen und Nöten der afrikanischen Bevölkerung erzählen. In Witten gewannen sie dafür den ersten Jugendpreis der Stadt.

Die Spendenbrillen werden nach dem Sortieren zunächst nach Koblenz geschickt. Hier begann auch Witzels Sammelleidenschaft. Denn dort lernte er vor mehr als zehn Jahren einen Apotheker kennen, der ebenfalls Brillen für die Dritte Welt sammelte. „Der Funke sprang über.“ In der Stadt im Rheintal kümmert sich die bundesweit tätige Vereinigung „Brillen weltweit“ um die Weiterleitung des Sammelgutes. Für Nangina werden die Gestelle und Gläser gesichtet, nach Dioptrienzahl sortiert, gereinigt und neu vermessen. Das hilft gleich doppelt: 20 Langzeitarbeitslose in Koblenz werden durch diese Maßnahme wieder fit für den Arbeitsmarkt gemacht.

Sieben von zehn Brillen landen wieder auf der Nase

„Sieben von zehn Brillen landen wieder auf der Nase und vor den Augen“, weiß Witzel. In vielen Haushalten schlummern welche, die keine Verwendung mehr finden. Doch in armen Ländern erhöhen die ausrangierten Sehhilfen die Chancen auf Arbeit, Bildung und die Teilhabe am Leben. „An vielen Orten der Erde können sich Menschen einfach keine Brille leisten!“

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Der Vereinsname bedeutet übersetzt „Ort der Steine“, was sich auf die Landschaft nahe dem ostafrikanischen Viktoria-See bezieht. Sie ist karg, der Boden wirft kaum etwas zum Leben ab. Nangina arbeitet ehrenamtlich mit dem Deutschen Katholischen Blindenwerk in Düren und der französischen Gruppe „Lunettes sans frontières“ in Hirsingue (Elsaß) zusammen. In Koblenz wird man auch mit großen Sammlungen fertig: Täglich können bis zu 800 Gebrauchtbrillen für ihren zweiten Einsatz vorbereitet werden. Dann werden die aufbereiteten Brillen gezielt an Ärzte, Missionsstationen und Kliniken verschickt.

Über 200 Gemeinden per Brief angeschrieben

Zur Erinnerung an den nunmehr fünften Bartimäus-Sonntag am 6. Oktober hat Witzel vor gut zwei Monaten rund 200 Gemeinden im Bistum per Brief angeschrieben – zum zweiten Mal in diesem Jahr. „Auch zu Jahresanfang weise ich schon immer auf den Termin hin und schicke Briefe raus. Einige Mitbrüder unterstützen den Gottesmann inzwischen auch mit Portospenden. „Sie schenken mir Briefmarken zum Geburtstag“, freut er sich. Seine Brillensammlung möchte er „so Gott will“, noch möglichst lange fortsetzen.