Essen-Kray. Alte Bäume, Teiche, Bolzplatz, Skateanlage: Ein historischer Spaziergang durch den Volksgarten Kray zeigt die Vielfalt der beliebten Grünanlage.
Er heißt Krayer Volksgarten, liegt aber mehr im Stadtteil Leithe. Seit seiner Einweihung am 22. Juni 1913, zur 25-jährigen Regentschaft von Kaiser Wilhelm II., ist die rund zehn Hektar große Grünfläche mit natürlichen Hügeln und künstlichen Fischteichen bei den Bürgern beliebt. Sie waren es auch einst, die ihren Park gerettet haben. Nun nahmen Besucher an einer Führung samt Geschichte und Geschichten zu ihrer Grünanlage teil.
Angelegt wurde der Volkspark zu Bergbauzeiten. Er diente schon früher zur Erholung und Luftverbesserung, wie Reinhild Malsch, zweite Vorsitzende des Naturschutzvereins Volksgarten, beim rund einstündigen Rundgang erläuterte, zu dem die CDU eingeladen hatte.
Die junge preußische Gemeinde Kray, entstanden aus der selbstständig gewordenen ehemaligen Bürgermeisterei, hatte lange gezögert, das Gelände von Wilhelm Munscheid, einem Gelsenkirchener Fabrikanten, zu erwerben. Man befürchtete, sich finanziell zu übernehmen. Im Viertel lebten überwiegend Arbeiter aus dem Bergbau oder der Eisenindustrie.
Gemeinde kaufte das Grundstück 1912
Munscheid wollte ihnen nicht nur Wohnraum, sondern auch Freizeitmöglichkeiten bieten und spendierte die Erschließung. Die Gemeinde kaufte dann 1912 das Grundstück, mit dem Ziel, einen Ort für alle zu schaffen. Wo früher der Schulte-Brüning-Hof stand, entstand das „Restaurant zum Volksgarten“. Das Gebäude ist bis heute erhalten und beherbergt derzeit einen griechischen Gastronomiebetrieb.
Der Naturschutzverein Volksgarten Kray
Der Naturschutzverein Volksgarten Kray ist seit 2008 aktiv und setzt sich seitdem mit Rat und Tat für die Grünanlage ein. Viele Maßnahmen wurden angestoßen und durchgeführt: Nistkästen für Fledermäuse, Bau der Skateranlage, Sanierung des großen Spiel- sowie des Bolzplatzes.
Der Krayer Volksgarten hat seit 2017 einen Baumlehrpfad, der 40 Bäume ausweist – vom Ahorn über die Eberesche bis hin zur Schwarzerle. 2014 verwüstete Sturm Ela über 80 alte Bäume. Die Teiche drohten zu verschlammen und das Wasser zu kippen. 2011 bis 2013 wurden die Teiche und der Park durch das Programm „neue Wege zum Wasser“ massiv aufgewertet.
Der Naturschutzverein Volksgarten arbeitet unter anderem mit dem NABU und dem BUND zusammen.
Kontakt zum Naturschutzverein: http://nvv-essen.de/
Für den Bau der Grünanlage griff das Volk damals tief in die Taschen: Grunderwerb, Gartenbau, Erdarbeiten und Teichaushebung beliefen sich auf 208.000 Mark. Der Park ist bis heute fast unverändert. So ist es kein Wunder, dass die Krayer mit der Anlage viele Erinnerungen verbinden. „Da vorn habe ich die erste Zigarette geraucht und als Jugendliche meinen Mann zum ersten Mal geküsst!“, erzählt Stefanie Kuhs (47) vom CDU-Kreisverband Essen. Lange hat sie an der Munscheidstraße gewohnt, wo die Runde startet.
Mit dem Park verbinden viele ihre eigenen Geschichten
„Ja, mit dem Park verbindet jeder seine Geschichten“, pflichtet ihr Malsch bei. Sie hatte Fakten und Zahlen zur Historie der Grünanlage herausgesucht. Durch die Unterführung, wo viele als Kinder Verstecken gespielt haben, läuft die Gruppe zum 1931 eingeweihten Ehrenmal für die Soldaten des Ersten Weltkriegs. Das Werk stammt von Bildhauer Joseph Enseling, der an der späteren Folkwangschule in Essen unterrichtete.
Nächste Station ist der Glaspavillon, wo sich Spaziergänger an Bistrotischen bei kühlen Getränken erholen. Im Schatten hocken ein paar Kanada-Gänse mit Küken. Hier liegt auch der kleinere Teich, momentan sehr zugewachsen. „Um die Grünpflege kümmern sich in den nächsten Tagen ehrenamtlich Mitglieder des Vereins“, sagt Malsch. Im Laufe der Jahre sei die natürliche Wasserquelle versiegt. Doch viele kleine Zuläufe sollen die Teiche zuverlässig speisen.
Naturschutzverein spielt entscheidende Rolle
Was die jüngere Geschichte des Krayer Parks betrifft, spielt der Naturschutzverein Volksgarten eine entscheidende Rolle. „2008 kam das Gerücht auf, dass in Zeiten leerer Stadtkassen der Rotstift angesetzt werden soll“, berichtet Andreas Dickmann, der sich im Stadtteil vielfältig engagiert und auch bei den Naturschützern mitwirkt. Vorhandene Teiche, so sagte man, sollten zugeschüttet und durch pflegeleichten Rasen ersetzt werden. „Das war der Startpunkt für unsere Gründung“, so der Krayer. Der Verein übernahm den Park in Patenschaft, bundesweit wohl bislang einmalig. Dickmann: „Am Anfang wurden wir belächelt, nach elf Jahren sind wir ein ernstzunehmender Partner der Stadt.“
In guter Erinnerung ist vielen Anwohnern die 100-Jahr-Feier des Volksparks in 2013. Damals wurden die beiden Teiche renaturiert. „Die Arbeiten hat der Verein aktiv begleitet“, lässt Malsch die Besucher noch wissen. Die Treppen wurden saniert, der Bolzplatz konnte durch Zuschüsse der Organisation „Gofuss“ (= Golf spielende Fußballspieler) erneuert werden. Die Van Eupen-Stiftung finanzierte die Zäune mit. Aber auch die Bezirksvertreter setzten sich immer wieder für den Erhalt der Anlage ein.
Heute hat der Naturschutz im Park große Bedeutung
Auch früher war der Volkspark attraktiv und bot manche Besonderheit. Schon 1924 gründete Apotheker Obiger, Inhaber der „Engel-Apotheke“, den Tennis-Club Grün-Weiß Kray und mietete einen Platz neben der Gaststätte „Bierhaus“ an.
Heute sind den Bürgern nicht nur Sport und Spiel wichtig. Die Umwelt liegt ihnen am Herzen: Nach wie vor ist der Park eine „grüne Lunge“ im Quartier. Und Naturschutz wird großgeschrieben: Allein über 75 Nisthilfen für heimische Vögel und Fledermäuse werden vom Verein betreut. Mit Erfolg: „Die Ansiedlung des Eisvogels zeigt, dass die Arbeiten Früchte tragen“, freut sich Dickmann.