Essen-Steele. Glücksfall fürs Steeler Archiv: Familienforscherin übergibt Urkunden, Fotos von Steeler Straßen und Gemälde ehemaliger Höfe. Nachahmer erwünscht.

Beinahe sämtliche Dokumente, Urkunden, Bücher und Bilder, die Gerda Schulte in den vergangenen Jahrzehnten zusammengetragen hat, haben eines gemeinsam: Sie beziehen sich auf Steele, denn das ist die Heimat der 93-Jährigen. „Geboren bin ich in Königssteele“, betont Gerda Schulte, die für ihren Einsatz um die Ahnenforschung mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde und Ehrenmitglied im Steeler Archiv ist. Diesem hat sie nun einen Großteil ihrer Sammlung übergeben - darunter ein Gemälde mit historischem Wert.

Auf dem Foto ist die Straßenbahn in Steele an der Ecke Bochumer Straße/Ecke Dreiringstraße in den 1960er Jahren zu sehen.
Auf dem Foto ist die Straßenbahn in Steele an der Ecke Bochumer Straße/Ecke Dreiringstraße in den 1960er Jahren zu sehen. © Gerda Schulte | Sammlung

„Das Bild zeigt den Hangohrskotten, der im 18. Jahrhundert entstanden ist und sich in Freisenbruch an der Märkischen Straße 51 befand“, beschreibt Manfred Driehorst vom Steeler Archiv. Gleich drei Dinge bewegen die Mitglieder: Es ist das Abbild des längst verschwundenen Hofes und zugleich die Verbundenheit des Malers sowie seiner Auftraggeberin mit Steele und den umgebenen Stadtteilen.

Gemälde entstand zum 75. Geburtstag des Vaters

So kam der gebürtige Krayer und Absolvent der Kunsthandwerkerschule Erich Pilz 1949 nach Steele, wo Gerda Schulte ihn beauftragte, den Hangohrskotten als Geschenk zum 75. Geburtstag ihres Vaters zu malen. Zuvor hatte die Heimatforscherin herausgefunden, dass ihre Vorfahren dort gelebt hatten. Sie selbst wuchs am Prozessionsweg (heute Augenerstraße) auf, besuchte die alte Marienschule und erfuhr nicht zuletzt auf den Sonntags-Spaziergängen mit ihrem Vater viel von der Stadtteilhistorie Steeles.

Die 93-Jährige kennt die Architektur des Quartiers, bevor Krieg und Neubaupläne in den 1970ern das Bild der Straßen mitunter völlig veränderten. Als Mädchen rettete sie sich manches Mal in den riesigen Bunker unter der Laurentiuskirche, wenn sie aus dem Segeroth zurückkam, wo sie die Bezugsscheine für die Kartoffelversorgung sortierte. „Der Bunker besteht auch heute, einen Zugang gibt es von der Paßstraße“, sagt Manfred Driehorst. Zugänglich sei er aber nicht und Vorhaben wie etwa eine Pilzzucht nach dem Krieg seien gescheitert.

Umzug nach Bergerhausen änderte nichts an der Verbundenheit zu Steele

Dieses historische Bild zeigt den Brinkerplatz und den Graffweg um 1960.
Dieses historische Bild zeigt den Brinkerplatz und den Graffweg um 1960. © Gerda Schulte | Sammlung

Erfolgreich war Gerda Schulte beim Aufbau ihrer umfangreichen Steeler Sammlung. Auch der Umzug nach Bergerhausen, wohin ihr Weg sie nach der Hochzeit mit ihrem Mann führte, hielt sie nicht davon ab, sich um die Heimat ihrer Familie zu kümmern. Ihren Mann hat sie für ihre Leidenschaft begeistert, so dass er wahnsinnig viel mitgemacht habe. Sie selbst wurde Mitglied der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde. Die Essener Gruppe existiert zwar nicht mehr – die Steelenserin ist aber nach wie vor Mitglied.

Unermüdlich hat sie in den Archiven gestöbert, ob im Düsseldorfer Staatsarchiv oder in Osnabrück, wo sie auf eine Originalurkunde aus dem Jahr 938 stieß: Das Schriftstück belegt den Besuch des späteren Kaiser Otto I. in Steele – eine Kopie hat Gerda Schulte mit nach Hause gebracht. Auch diese verwahrt inzwischen das Steeler Archiv, das ebenso erfreut über die zahllosen Bilder von Steeler Straßen sowie die akribische Beschriftung deren Sammlerin ist.

„Von solchen Übergaben leben Archive wie unseres“

Künstler-Biografie und Kontakt zum Archiv

Der Steeler Maler Erich Pilz wurde 1910 in Kray geboren, absolvierte nach der Volksschule eine Schreinerlehre und arbeitete in einer Kunstschreinerei. Es folgte 1936 eine Studium an der städtischen Kunsthandwerkerschule, der Folkwangschule. 1949 kam er nach Steele. Erich Pilz schuf zahlreiche Werke mit Stadtteilbezug.

Das Steeler Archiv, Hünninghausenweg 96, öffnet montags, 16 bis 19 Uhr, donnerstags und samstags 10 bis 13 Uhr. Kontakt: 01577-3983425. Weitere Informationen: http://www.steeler-archiv.de/

„Die Aufnahmen wären für uns heute sonst kaum noch zuzuordnen“, gesteht Manfred Driehorst und ist vor allem dankbar, die Sammlung nun ins Archiv übernehmen und auswerten zu können, nachdem Gerda Schulte kürzlich ihr Haus verkauft und zurück nach Steele gezogen ist. „Von solchen Übergaben leben Archive wie unseres“, sagt er und hofft auf Nachahmer, damit historische wertvolle Dokumente nicht im Altpapier landen, wenn jemand ein Haus erbt oder den Dachboden aufräumt.

In den Unterlagen von Gerda Schulte seien beispielsweise auch sehr viele Kopien von Kirchenbüchern, auf denen die Familienforschung basiere – ein Steckenpferd von Manfred Driehorst, der in den 1970ern nach Steele umgezogen ist.

Im Personalausweis steht Steele als Geburtsort

Wie viel Wert Gerda Schulte auf ihre Heimat legt, bewies sie einst auch, als sie hat ihren Personalausweis verlängern müssen. Geboren in Steele, das damals noch eine selbstständige Stadt gewesen ist, wollte ihr der Beamte gerade „Essen“ als Geburtsort eintragen, als sie korrigierte: „Ich bin in Steele und nicht in Essen geboren.“ Ein wenig Überzeugungsarbeit kostete es sie dann noch, bis schließlich „Steele“ in ihrem Ausweis landete.