Essen-Kray. . Im Schiff 2 können im ehemaligen Husmannshof in Kray 120 Kinder behandelt werden. Entwicklungsverzögerungen liegen auch im Elternhaus begründet.
Kein Zufall: Die neue Frühförderstelle des Franz-Sales-Hauses, das Schiff 2, geht in einem Haus vor Anker, das schon seit über 40 Jahren eine Anlaufstelle für Menschen in besonderen Situationen ist: Mönche und Ordensschwestern lebten und wirkten im ehemaligen Husmannshof am Fischweiher in Kray, speisten dort auch Arme, wo heute ein helles und freundliches Therapiezentrum für Kinder ist.
Als die letzte Marienschwester vor sieben Jahren das Haus verlassen hatte, vererbte die Gemeinschaft den ehemaligen Hof samt Kapelle dem Franz-Sales-Haus. Das investierte für Umbau und Renovierung 300 000 Euro, damit 120 behinderte oder entwicklungsverzögerte Kinder von 16 Therapeuten behandelt werden können. In der Regel ein Jahr lang kommen sie mit ihren Müttern und Vätern zwei Mal die Woche zur Ergotherapie, zur Logopädie, erhalten Krankengymnastik oder werden von einer Heilpädagogin unterstützt. Dazu gibt es noch therapeutische Gespräche mit Sozialpädagogen, Psychologen und der Ärztin.
In Kray herrscht ein großer Bedarf
Das Schiff 2 ist die erste Dependance des Schiff 1, das vor fünf Jahren im Franz-Sales-Haus an der Steeler Straße eröffnete. Dass der neue Standort in Kray liegt, ist kein Zufall: „Hier herrscht ein besonders großer Bedarf, gibt es viele sozial schwache Familien und arme Kinder“, weiß Maria del Pilar Andrino. Die Kinderärztin ist die Leiterin der beiden Förderstellen, die sie konzipiert und mit aufgebaut hat. Sind Kinder auffällig, in der körperlichen oder geistigen Entwicklung verzögert, werden sie von den behandelnden Kinderärzten in die Frühförderstelle überwiesen. Die anfallenden Therapiekosten teilen sich Krankenkasse und Sozialamt. Wichtig sei als erster Schritt immer die Einbindung von Eltern und Umfeld. „Nur, wenn wir die Eltern erreichen, können wir langfristig gut arbeiten und dem Kind helfen.“ Dafür nutzt die Kinderärztin und Genetikerin das Netzwerk, das sie sich im Laufe ihres Berufslebens aufgebaut hat. Denn vor ihrer Tätigkeit für das Franz-Sales-Haus leitete sie die städtische Frühförderstelle und baute davor das sozialpädiatrische Zentrum im Uniklinikum auf.
Teilweise erschütternde Zustände
Vieles, was die Ärztin tagtäglich erlebt, erschüttert sie trotz ihrer langen Erfahrung: „Es gibt immer weniger Esstische in den Wohnungen, an denen man gemeinsam sitzen kann. Die Eltern reden immer weniger mit ihren Kindern, es fehlen oft auch die Alltagskompetenz und die emotionale Reife“, erzählt Maria del Pilar Andrino von ihren Beobachtungen. Mit Kindern sprechen, singen, sie in den Arm nehmen, trösten oder loben – das fällt vielen Eltern zunehmend schwer oder es fällt ihnen gar nicht erst ein. „Stattdessen läuft der Fernseher 24 Stunden lang, wird mit dem Handy gespielt, statt mit dem eigenen Kind.“ Viel Geduld und viele Gespräche sind nötig, um Dinge zu bewegen und zu ändern. „Das tun wir aber niemals mit dem erhobenen Zeigefinger.“