Essen-Byfang. Der Kaminstumpf des früheren Schachtes Wilhelm wurde Ende der 1970er wiederentdeckt. Heute liegt er auf dem Wanderpfad in der Kulturlandschaft.

Anwohnern oder Spaziergängern war er schon lang bekannt, doch nachdem er Ende der 1970er-Jahre von einem Mitarbeiter des Ruhr Museums „wiederentdeckt“ wurde, da sorgte er für einen richtigen Medienzirkus: „Älteste Bergbauanlage Europas bei Essen entdeckt“ schrieb diese Zeitung seinerzeit. „Heute weiß man es besser“, sagt Achim Mikuscheit vom Ruhr Museum. Dennoch hat der Kaminstumpf des Schachtes Wilhelm der Zeche Victoria nahe der Straße Dattenberg eine so große Bedeutung, dass er mittlerweile unter Denkmalschutz steht und gehegt und gepflegt wird.

Fund wurde als Sensation gefeiert

„Von den Medien wurde der Fund damals als richtige Sensation gehandelt“, berichtet Achim Mikuscheit. Es ist ein freudiger Anlass, der ihn an diesem kalten Tag ins Deilbachtal führt. Auf Initiative der Kupferdreher Bürgerschaft bekommt das Schornsteinfragment, das unter den vielen historischen Bauten im Tal bislang ein Schattendasein führte, endlich eine fundierte und wetterfeste Hinweistafel. Für die Kontroverse, die der Stumpf bei der Erweckung aus dem Dornröschenschlaf auslöste, ist bei den Eckdaten rund um den dazugehörigen Schacht Wilhelm leider kein Platz geblieben.

Was den damaligen Leiter des Ruhrlandmuseums Dr. Walter Sölter so elektrisierte, war eine Inschriftentafel am Kaminstumpf, die heute im Kutschenhaus des nahe liegenden Kupferhammers zu sehen ist. Die Bergbauinsignien Schlägel und Eisen sind darauf zu sehen, und eine schwer entzifferbare Jahreszahl.

„Man hielt es für Zahl 1800, das wäre eine Sensation“

„Man hielt es für die Zahl 1800 und das wäre eine richtige Sensation gewesen. Ein Zechenhaus dieses Alters war damals nicht bekannt“, blickt Achim Mikuscheit zurück. Der Turm wurde als fehlendes Glied in der Bergbauforschung gesehen. Er sollte zudem das erste hiesige Objekt eines neuen und heute längst etablierten Forschungszweiges werden, der Industriearchäologie – und „zufällig“ war Sölter einer der Pioniere dieser Richtung.

Doch schnell regte sich damals Widerspruch. Der Bergbauforscher Dr. Kurt Pfläging, ehemals Vermessungstechniker der Heisinger Zeche Carl Funke, bezeichnete den Turm in der Zeitung „Die Welt“ als „olle Kamelle“. Der Fund sei „nur“ ein Schornstein, der viel jüngeren Datums sei. Überhaupt hielt er die Industriearchäologie für Nonsens, er bevorzugte die traditionelle Recherche in Archiven. Und sollte, zumindest mit der Kamin-These und dem Datum, Recht behalten.

Im Turm war zwischenzeitlich ein Hühnerstall

Er wies nach, dass die Inschrift korrekterweise 1890 lautet, der Turm ein Anhängsel des Kesselhauses war, das man für den rund 80 Meter entfernten Schacht Wilhelm benötigte. Vom Schacht aus verkehrte eine um die 380 Meter lange aufgeständerte Loren-Strecke bis zur Zeche Victoria, heute Aldi an der Nierenhofer Straße.

Nach dem Ende der Förderung am Schacht Wilhelm 1910 und dem endgültigen Aus von Wilhelm als Wetterschacht 1913, wurde der Kamin nicht mehr benötigt. 1913 wurde er von wahrscheinlich rund 60 Metern Höhe auf sechs gekappt, das Kesselhaus abgerissen. Bis in die 1970er Jahren waren die dortigen Nebengebäude, u.a. die Waschkaue, Wohngebäude. Dann wurden sie abgerissen. Im Turm war zwischenzeitlich ein Hühnerstall untergebracht.

Turm wurde für 25 000 Euro saniert

Doch die Initiative des Museumsdirektors Sölting war nicht umsonst. Der Turm stand nun auf der historischen Landkarte. Er ist besonders, außen hat er einen rechteckigen, und innen einen runden Grundriss. 1989 wurde er unter Denkmalschutz gestellt. Zwischen 2008 und 2010 sanierte ihn die Stadt für rund 25 000 Euro, weil er baufällig geworden war. „Durch eine Kooperation mit der Jugendhilfe Essen können wir dafür sorgen, dass das Umfeld in Ordnung gehalten wird und der Turm nicht zuwächst“, erläutert Achim Mikuscheit. Mittlerweile liegt das Bauwerk auf dem Wanderpfad durch die Kulturlandschaft Deilbachtal. Wundern, was denn dies für ein Bauwerk sei, muss sich jetzt jedenfalls kein Ausflügler mehr.

>>BÜRGERSCHAFT INSTALLIERT 25. DENKMALTAFEL

„Die neue Denkmaltafel am Kaminsockel der Zeche Victoria ist nun die 25.“, berichtet Rainer Busch vom Arbeitskreis Heimatkunde und Archiv der Kupferdreher Bürgerschaft. Dafür hat man sogar den Bogen nach Byfang geschlagen. „Wir fühlen uns auch für Byfang zuständig. Hier gibt es ja keine Bürgerschaft“, erläutert Nadja Schiemann, Leiterin des Arbeitskreises. Und da sich die Museumslandschaft im Deilbachtal sowieso nicht an Stadtteilgrenzen hält, sowohl der historische Pfad der Bürgerschaft als auch der des Ruhr-Museums hier verläuft, hätte der Standort für die Tafel kaum besser gewählt werden können. Die Bezirksvertretung wird sich wohl an den Kosten von rund 250 Euro beteiligen.

Für den Arbeitskreis soll mit der 25. Denkmaltafel nicht Schluss sein. Der Blick geht zum „Kohlehund“, einem Förderwagen vor dem Bistro „KU 28“ an der Prinz-Friedrich-Straße. Der soll aufgemöbelt werden und ein neues Schild zusätzlich an die Zeche Prinz Friedrich erinnern.