"Echte Gilde der Marktschreier" macht Halt auf dem Kaiser-Otto-Platz. Vorjahressieger Wurst-Achim verweist seine lautstarken Kontrahenten bei Publikumswahl auf die Plätze. Regenwetter trübt Besucherandrang
Steele. Harte Auseinandersetzungen zwischen Kontrahenten bestimmten in der letzten Woche das Bild auf dem Kaiser-Otto-Platz. Wer Handgreiflichkeiten hinter dem Geschrei vermutete, konnte beruhigt aufatmen: Die "Echte Gilde der Marktschreier" machte vier Tage lang lautstark auf sich und ihre vielen Waren aufmerksam.
Wurst-Achim ist in seinem Element: der bekannte Marktschreier legt los und gibt seinem Kontrahenten Käse-Rudi verbale Schlagseite. Die Passanten in der Fußgängerzone schauen eher befremdlich auf das Geschehen. Einige bleiben stehen und hören zu. Dass die Meckerei, die sich hart an der Schmerzgrenze bewegt, reine Show ist, erkennt der findige Beobachter schnell. Der Aufmerksamkeit der Menschen auf dem Platz können sich die Marktschreier jedenfalls sicher sein. Jedes Jahr küren die Zuschauer den besten Marktschreier in Steele. "Die Besucher bekommen Karten und bestimmen darauf den Sieger", sagt Le?on Finger, erster Vorsitzender des Initiativkreises City Steele (ICS). Der ICS kooperiert mit der "Echten Gilde der Marktschreier".
Auf dem Platz erklingen Schlager aus den Boxen, dazu gesellen sich die Sprüche der Händler. Wurst, Käse, Obst, Pflanzen und Nudeln preisen sie unter anderem an. "Wenn Uwe seine Tüten packt, kriegt Aldi einen Herzinfarkt", kalauert Nudel-Uwe und versucht so die Damen zu becircen. "Nein sagen kann man ja immer noch", betont er und packt fleißig verschiedene Nudelsorten in Plastiktüten. Zwischendurch verstummen die verbalen Schlagabtäusche, auch eine Marktschreier-Stimme braucht mal eine Pause. Erlauben können sie sich diese Auszeit: wegen des Nieselregens ist nicht viel los auf dem Platz. Die riesigen Laster stehen im Rechteck mit ihren integrierten Buden.
"Marktleiter" Ekrem "Ecki" Dincsoy von der Event- und Werbeagentur Jobo ist trotzdem zufrieden: "Es wird gut angenommen von den Leuten." An vier Tagen machen die "Schreihälse" den Kaiser-Otto-Platz unsicher. Neben dem besten Marktschreier wird noch ein weiterer Titel vergeben: interessierte Besucher des Marktes kämpfen um den Stadtmeistertitel im Krabbenpulen. "Der Gewinner bekommt ein Paket der Marktschreier", erklärt Ekrem Dincsoy.
Das lustige Treiben bedeutet für die Händler harte Arbeit. Von Januar bis November reisen sie zusammen durch Deutschland und machen Halt in unterschiedlichen Städten. "Ich bin schon fast 20 Jahre dabei", erzählt Wurst-Achim, dessen Konterfei auch auf seinem Wagen abgebildet ist. Mit der Flankenatmung über das Zwerchfell sei das Schreien über einen längeren Zeitraum möglich. "Es ist sehr anstregend, man japst nach Luft", gibt der 48-Jährige zu Bedenken. Seine Bemühungen sind jedoch von Erfolg gekrönt: wie im Vorjahr wählen die Besucher des lebendigen Spektakels ihn zum besten Marktschreier in Steele.