Essen-Byfang. . Die Mitglieder des Rassegeflügel-Zuchtvereins Byfang sind in einer Großstadt beinahe Exoten. Gleichzeitig sind sie ehrgeizig und erfolgreich.

Früher spielten Marcel Schulte (30) und Kevin Thelen (31) Fußball zusammen, heute züchten sie gemeinsam Hühner. Wie es zum Hobby-Wechsel kam: „Marcel hat mir von seinen Tieren erzählt und mir den Stall gezeigt“, erinnert sich Kevin Thelen. Der 31-Jährige hat das tierische Hobby zunächst belächelt, inzwischen ist er nicht nur seit zwölf Jahren begeistert dabei, sondern seit vier Jahren auch der Vorsitzende des Rassegeflügel-Zuchtvereins Byfang und Umgegend.

Jetzt lächeln andere, wenn sie von den Hühnern der beiden hören. Daran haben sich die jungen Züchter längst gewöhnt. „Dabei hatte ich früher nichts mit Tieren zu tun“, erzählt Kevin Thelen. Gereizt haben ihn die Hühner dann doch, weil er immer schon naturverbunden war. Heute besteht ihre Züchtergemeinschaft im Verein aus drei Mitgliedern und 60 Zwerghühnern der Rasse Zwergcochin, die in den Ställen in ihren Gärten leben.

Die Hühner seien zwar keine Streicheltiere, aber ruhige, familiengebundene Tiere, die recht schnell zahm werden. Größter Fan ist der zweijährige Sohn von Kevin Thelen: „Er ist jetzt schon Hühnernarr durch und durch.“ Und obwohl die Tiere durchaus wirtschaftlichen Nutzen haben, fällt für die Familie selten ein Frühstücksei oder ein Hühnerbrustfilet ab. Zu groß sei die Nachfrage anderer Züchter. Immerhin scharren unter den Hühnern in Byfang und Kupferdreh sogar Europameister. Denn mit den Tieren, die sie großziehen, wetteifern die Züchter des Byfanger Vereins auf nationalen und internationalen Ausstellungen. Daher ist mit dem Hobby Hühnerzucht nicht nur Freude und Stallarbeit, sondern auch eine gehörige Portion Ehrgeiz verbunden: „Es ist schön zu sehen, wenn im Garten ein Sieger heranwächst.“

Bevor aber ein Küken in der Brutmaschine im Keller schlüpft, diskutieren die Züchter, welcher Hahn zu welchem Huhn passt. Für jede Rasse gebe es eigene Standards, bei denen es etwa um Formen, Federbreiten, Standhöhen und Zeichnungen gehe. Ihre Zwerghühner sollen schön rund sein wie ein Fußball. „Wir streiten wie ein altes Ehepaar“, verrät Thelen lächelnd. Fachsimpeln gehöre einfach dazu. Am Ende entscheiden sie gemeinsam.

Vor jeder Schau bereiten sie die Tiere entsprechend vor, haben dafür einen Raum im Keller und zumindest das Verständnis der Ehefrauen, die bei den Ausstellungen mithelfen. Für die Hühner gibt es zunächst ein Vollbad mit PH-neutralem Babyshampoo, bevor Krallen geschnitten und Schnäbel gekürzt werden.

Bis Ende Januar werden die Züchter nun im Herbst und Winter wieder zu Ausstellungen reisen und mitunter vierstellige Summen investieren, beschreibt Siegfried Felter (64), zweiter Vorsitzender im Verein. Wie Thelen und Schulte absolvierte auch er eine dreijährige Ausbildung zum Preisrichter. Der Kupferdreher züchtet jedoch Gimpeltauben in Gold und Kupfer und arabische Trommeltauben. Besondere Eigenschaften: lachende Trommelstimme und zutrauliches Wesen.

90 Tauben leben bei Siegfried Felter im Schlag, die er am liebsten aus der Wohnung im Untergeschoss seines Hauses beobachtet. Züchterstube nennt er die Räume, in denen zahlreiche Urkunden von seinen Erfolgen zeugen. Seine Leidenschaft entfachten jedoch vor mehr als 50 Jahren die Brieftauben seines Onkels. Nun ist er selbst mit seinen Rassetauben Bundessieger und Deutscher Meister. Er will diese Titel verteidigen und rechnet sich gute Chancen aus. Erfolgreiche Tauben, sagt er, bringen bis zu 2000 Euro. Er selbst hat mal ein Tier für 600 D-Mark verkauft. Aktuell ziehen vier seiner Tauben nach Belgien um.

Für 1,50 Euro gibt es ein Ei der prämierten Hühner aus der Zuchtgemeinschaft. „Allerdings ist in Italien mal Rührei angekommen“, erinnert sich Marcel Schulte, der bereits kurz nach der Geburt Mitglied im Verein wurde. Schuld ist der Opa, der den Enkel anmeldete. Bis heute sind beide bei diesem Hobby geblieben: der Großvater als Futtermeister der Zuchtgemeinschaft und der Enkel als Deutscher Meister und EM-Gewinner.

Ruhrmeisterschaft

Der Rassegeflügel-Zuchtverein Byfang und Umgegend feiert sein 60-jähriges Bestehen und die Ruhrmeisterschaft. Dazu lädt er alle Interessierten am heutigen Samstag, 11 bis 18 Uhr, und am morgigen Sonntag, 11 bis 14 Uhr, auf das Gelände des Reitervereins Byfang, Kleinheide 7. Es gibt Informationen rund um das Hobby und Züchtergespräche.

Ausgetragen wird der Wettkampf um das schönste Tier bei der Ruhrmeisterschaft. Besucher können rund 180 ausgestellte Vögel sehen. Darunter den Onagadiri-Hahn mit besonders langem Federschwanz, Thüringer Barthühner oder bergische Landhühner. Am Samstag beginnt um 11 Uhr die Jubiläums- und Siegesfeier. Ein Falkner wird seine Tiere vorführen. Zudem gibt es ein Café de poule (Hühnercafé).

Europameister aus Byfang

Der Rassegeflügel-Zuchtverein Byfang und Umgegend besteht seit 60 Jahren und ist einer von sechs verbliebenen Geflügel-Zuchtvereinen in Essen, sagt Siegfried Felter, zweiter Vorsitzender, und nennt mit Katernberg, Meisenburg, Borbeck, Werden und Burgaltendorf die anderen fünf. Während es in ländlichen Gebieten zahlreiche Züchter und große Zuchtanlagen gebe, seien die Zahlen in Essen vor allem bei Hühnerzüchtern rückläufig. Der Byfanger Verein hat heute rund 100 Mitglieder, darunter noch 16 aktive Züchter und etwa 1000 gefiederte Tiere wie Hühner, Tauben und Puten. Begonnen hat die Vereinshistorie 1956 mit einem Dutzend Geflügelhalter. Nur ein Jahr später gab es die erste Ausstellung. 1958 folgte die erste Schau mit korrekter Bewertung in der Gaststätte Kuhlhoff, die zum Vereinslokal wurde. Die Kegelbahn diente bis 2001 als Ausstellungsfläche. Dann zog der Verein für diese Zwecke in die Halle und das Casino des Byfanger Reitervereins.

Im Laufe der Jahre stellten sich im Byfanger Verein zahlreiche Zuchterfolge auf nationaler und internationaler Ebene ein. Bis heute amtieren Mitglieder als Bundessieger, Deutscher Meister, Europameister. Mit Blick nach vorn gibt es dennoch eine Sorge: „Obwohl wir eine recht junge Truppe sind, ist die Zukunft ungewiss“, sagt der Vorsitzende Kevin Thelen. Die Jüngsten seien zwar wie er um die 30 Jahre alt, danach aber komme nichts. Wohlwissend, dass etwa Urlaubszeiten oder das Schlachten der Tiere einige abschrecken, wollen die Züchter weiterhin für ihr Hobby begeistern. „Immerhin erhalten wir einen Genpool und damit altes Kulturgut.“