Essen-Steele. . Gelesen hat Stephanie Polberg schon immer. Vor 20 Jahren eröffnete sie ihren eigenen „Ruhrgebietsbuchladen“ in Steele. Dafür erhielt sie nun sogar einen Preis

Als Stephanie Polberg noch zur Grundschule ging, da erhielt sie einen folgenschweren Tadel: „Ein Lehrer hatte sich beschwert, ich würde im Unterricht zu viel lesen.“ Nun fördert das Lesen bekanntlich die Bildung, doch wenn darunter die Konzentration auf andere Schulfächer leidet, darf die Frage erlaubt sein, was denn aus einer jungen Dame werden soll, die schon so früh der Leidenschaft für das gedruckte Wort erlag. Stephanie Polberg machte aus der Not eine Tugend, wurde Buchhändlerin und hat dies bis heute nicht bereut.

Das Licht der Welt erblickte die Essenerin im Jahr 1969, drückte erst in Leithe und später in Schonnebeck die Schulbank. Ihre Buchhändlerlehre allerdings absolvierte sie direkt nach dem Abitur im Bücherpavillon in Steele. „Da habe ich schon als 15-Jährige ausgeholfen.“

Irgendwann in dieser Zeit reifte ihr Entschluss, selbst einen Buchhandlung zu eröffnen. Ein Plan, den Stephanie Polberg exakt am 1. April 1996 in die Tat umsetzte. „Als der Bücherpavillon schloss, habe ich kurz danach unter neuem Namen weitergemacht.“ Bis vor zwei Jahren blieb sie dem Standort am Kaiser-Wilhelm-Platz 3 treu, bevor sie ein paar Hausnummern weiterzog, auch um ihr Geschäft barrierefrei gestalten zu können. Was sie freut: „Beim Umzug in das nun ebenerdige Ladenlokal haben mir viele meiner Stammkunden geholfen.“

Der persönliche Kontakt zu den Menschen ist ihr wichtig. Besonders zu denen, die auch in Zeiten von Computer und Internet noch immer ein gebundenes Buch zu schätzen wissen. „Diesen Geruch des Papiers und das Gefühl, etwas in den Händen zu halten, in dem man noch richtig blättern kann“, das mag nicht nur sie. Und weiter: „Mein Team und ich verstehen uns nach wie vor als heimatverwurzelte Stadtteilbuchhandlung.“ Eine Haltung, die offenbar auch die Jury bei der jüngsten Vergabe des Deutschen Buchhandlungspreises zu schätzen wusste (siehe Zweittext).

Dieses Image füllt Stephanie Polberg seit 20 Jahren mit Leben: Im Jahr 2012 brachte sie gemeinsam mit dem Steeler Archiv einen Bildband mit historischen Fotos über Steele heraus; zum Stadtteiljubiläum führte sie Interessierte zu historischen, verlorenen Orten in Steele. „In diesem Jahr veranstalten wir mit dem Archiv einen Schreibwettbewerb, dessen Ergebnis wir im Herbst präsentieren“, verspricht sie.

Seit drei Jahren haben ihre Kunden die Möglichkeit, sich nach Absprache abends im Laden einschließen zu lassen und bei Prosecco und Knabbereien in Seelenruhe durch die Regale zu stöbern. Das kommt gut an. Ebenso wie Lesungen, aber auch ein literarisches Dinner sowie die Treffen, bei denen Kunden einen gediegenen Whisky verköstigen können, denn auch ein guter Tropfen gehört zu einem guten Buch.

Diese Veranstaltungen sind wichtig, denn Stephanie Polberg, die sich seit 20 Jahren im Prüfungsausschuss der IHK engagiert, ist nicht so naiv zu glauben, dass allein durch den Verkauf eines Buches ihr Geschäft zu erhalten wäre: „Wir sind stets mit der Zeit gegangen und haben uns den neuen Begebenheiten immer wieder angepasst“, erklärt sie. „Auch bei uns gibt es E-Books und den Reader dazu.“ Apropos neue Medien: Ihre Facebookseite zählt 2000 Freunde. Auch, weil sie auf ihrem Portal (www.facebook.com/buchhandlung.polberg) täglich etwas Neues präsentiert.

Neueinsteigern in die Branche empfiehlt sie eine gute Ausbildung. „Und wenn dies geklappt hat, sollte man versuchen, auch dort einen Job zu finden, denn die Zeiten werden nicht leichter.“ Doch schon lächelt sie wieder. Die nächste Buchvorstellung in einem der örtlichen Kindergärten steht an. Denn dann fühlt sich Stephanie Polberg wieder wie damals, als sie in der Schule saß – mit einem Buch unter dem Arm.

Buchhandlungspreis im ersten Anlauf

Das nennt man dann wohl eine gelungene Premiere: Gleich bei ihrer ersten Bewerbung überhaupt wurde die Buchhandlung von Stephanie Polberg in Steele als eine von 118 Buchhandlungen aus rund 500 Bewerbern für den Deutschen Buchhandlungspreis auserkoren.

Die am Ende prämierten Fachgeschäfte erhalten ein Gütesiegel, das mit Preisgeldern in Höhe von 25 000, 15 000 und 7000 Euro verbunden ist. Die Preise werden am 5. Oktober in Heidelberg verliehen.

„Mit dem Buchhandlungspreis würdigt die Bundesregierung besonders die kleinen, inhabergeführten Buchhandlungen vor Ort – gerade in Zeiten, in denen viele Buchhändler um ihr Überleben kämpfen müssen“, erklärt Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Diese Buchhandlungen seien zudem Garanten verlegerischer und literarischer Vielfalt, „die mit großen Einsatz und Engagement zu kultureller Attraktivität und Lebensqualität ihrer Region beitragen“, heißt es zur Entscheidung der Jury weiter.

Die Jury steht unter Vorsitz von Iris Radisch, Ressortleiterin Feuilleton „Die Zeit“. Außerdem gehören Vertreter aus dem Verlagswesen, der Medien, der Kurt-Wolff-Stiftung, des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels sowie Schriftsteller und Literaturexperten dazu.

Stephanie Polberg zeigt sich von der Nominierung schlichtweg begeistert: „Die Chance auf einen solchen Preis, ungeachtet der Höhe, bedeutet mir und meinem Team sehr viel. Das zeigt, dass unsere Arbeit vor Ort gewürdigt wird. Das ist Bestätigung und Motivation für die Zukunft zugleich.“

Besonders erfreut ist Stephanie Polberg auch darüber, dass ihre Nominierung bewiesen habe, „dass nicht nur die großen Buchhandelsketten mit ihren zahlreichen und oft aufwändigen Veranstaltungen etwas bewegen können“