Essen-Horst. . Vorsitzender Michael Papsdorf und seine ehrenamtlichen Mitstreiter erhoffen sich durch formale Strukturen schnellere Handlungsfähigkeit
Eine wahre Flut an Hilfsprojekten brach im Sommer des vergangene Jahres über Steele herein, als die Stadt ankündigte, 400 Flüchtlinge in einem Zeltdorf am Pläßweidenweg einquartieren zu wollen. Mittlerweile hat sich die Flüchtlingshilfe Steele zu einem Verein gemausert. „Unsere Euphorie und unser Elan halten unvermindert an, auch wenn sich unsere Arbeit aufgrund ständig wechselnder Anforderungen verändert hat“, sagt der frisch gewählte Vorsitzende Michael Papsdorf.
Unvergessen bleibt der erste Runde Tisch der Flüchtlingshilfe, als auf Initiative von Arnd Hepprich (Steeler Archiv) und Johannes Brackmann (Grend) mehr als 300 engagierte Bürger sowie Delegierte von Vereinen und örtlichen Gruppen ins Steeler Kulturzentrum strömten, um den Menschen ohne Heimat zur Seite zu stehen. Seitdem hat sich viel bewegt. Eine Lenkungs- und eine Koordinierungsgruppe wurden gebildet. Letztere beinhaltet vier Arbeitsgruppen, die sich zum Beispiel mit Spenden und Sprachkursen für Flüchtlinge beschäftigt. „Hinzu kommt eine AG für Kooperation, um die Zusammenarbeit mit anderen Trägern, dem Flüchtlingscamp, mit der Institution Pro Asyl sowie Vereinen und Politik zu gewährleisten“, so Papsdorf. Eine weitere Gruppe macht die Arbeit der Flüchtlingshilfe transparent, pflegt den Informationsfluss nach innen und außen – via Newsletter, Facebook und einer im Aufbau befindlichen Homepage.
Nun wurde mit Gründung des „Flüchtlingshilfe Steele e.V.“ eine formale Struktur geschaffen, die sich positiv auf alle Bereiche auswirken soll. „Der Verein kann auf Probleme schneller reagieren als dies unseren Gremien möglich war, die sich nur wöchentlich und monatlich trafen“, so Papsdorf.
Versicherungsschutz geklärt
Ein weiterer Vorteil: Bislang gab es offene Fragen zum Versicherungsschutz von Ehrenamtlichen. Sind diese beim Zeltdorf-Betreiber European Home Care (EHC) versichert? Was geschieht bei Unfällen in der Kleiderkammer? Wer trägt das Haftungsrisiko bei Veranstaltungen und Ausflügen? Papsdorf selbst hatte einen Schaden an seinem Handy, und niemand wusste zuerst genau, wer diesen begleichen soll. „Nun können sich der Verein und seine Helfer selbst absichern.“
Eigenes Konto eröffnet
Auch die Finanzen, die bislang über ein Unterkonto der Kirchengemeinde abgewickelt wurden, nimmt der Verein selbst in die Hand. „Da sind wir logistisch immer wieder an Grenzen gestoßen“, weiß Papsdorf. Auch kann der Verein Spendenbescheinigungen ausstellen. „Das Finanzamt prüft aktuell auf Gemeinnützigkeit, doch da gibt es keine Probleme.“ Nicht zuletzt sollte der Verein auch als verbindlicher Kooperationspartner zum Beispiel für die Stadt wahrgenommen werden.
Der Vorstand wird sich künftig mit eher grundsätzlichen Entscheidungen wie Versicherungen, Konto- und Schriftführung beschäftigen. „Die Struktur von Koordinierungs- und Lenkungsgruppe bleibt erhalten“, so Papsdorf. Zudem sei in der Lenkungsgruppe der neue Vorstand personell komplett vertreten. Zu den 14-tägigen Sitzungen kommen auch noch Mitarbeiter des EHC sowie andere Interessierte als Gäste hinzu, denn: „Natürlich dürfen uns auch weiterhin nicht im Verein organisierte Helfer tatkräftig unterstützen.“ Die Koordinierungsgruppe wird sich künftig etwa zweimal pro Vierteljahr treffen.
Die nächsten Projekte sind: Die Nutzung des Äbtissinsteigs als Bildungsstandort für die Menschen am Pläßweidenweg und Bonifatius. Ferner sogenannte Cultridge-Veranstaltungen („Kulturbrücken“) wie beispielsweise das Sommerfest im Juli. „Außerdem wollen wir den Prozess vom Zelt-Notquartier zum Industriehallen-Notquartier intensiv begleiten“, verspricht Papsdorf.
Wohnungswechsel begleiten
Dies ist der Steeler Flüchtlingshilfe ebenso wichtig wie der Aufbau von Begleitungsstrukturen beim Wechsel der Flüchtlinge in feste Wohnungen. „Da die Menschen, die den Pläßweidenweg verlassen, längst nicht alle eine Wohnung in Steele erhalten, brechen da oft auch die Kontakte wieder weg.“
Der Vorstand der Flüchtlingshilfe Steele setzt sich zusammen aus: Michael Papsdorf (Vorsitzender), Fabian Brinkmann (Stellvertreter); Schatzmeister Safwat Raslan, ein Bankfilialleiter aus Aleppo, Karin Kunkel (Schriftführung), Marlies Britz, Detlef Eke, Hiltrud Schmutzler-Jäger, Regina Zander (Beisitzer).
Gewählt wurde der Vorstand durch die Koordinierungsgruppe, der derzeit rund 30 Mitglieder angehören.
Nun will der Verein ein Faltblatt entwerfen, um weitere Mitglieder anzuwerben. Der monetäre Beitrag ist bewusst denkbar gering gehalten und liegt bei 12 Euro pro Jahr
Kritik der ehreramtlichen Helfer
So sehr die Flüchtlingshilfe Steele auch die gute Kooperation zwischen Verein und Zeltdorf-Leitung betont, so kritisch fällt das Urteil bei der direkten Einflussnahme der ehrenamtlichen Helfer auf die Lebensumstände der Flüchtlinge aus: „Obwohl wir diese Menschen betreuen und integrieren sollen, sind unsere Verbesserungsvorschläge, zum Beispiel bei der Ausstattung und Gestaltung der Zelte, nicht sehr gefragt“, moniert Vereinsvorsitzender Michael Papsdorf.
Sozialdezernet Peter Renzel zeigt Verständnis, relativiert jedoch die Kritik: „Wir arbeiten mit den Runden Tischen sehr eng zusammen. Ohne sie hätten wir in den letzten zwei Jahren in unserer Essener Flüchtlingshilfe in allen Stadtteilen nicht soviel Gutes geschafft.“ Ohne die ehrenamtlichen Helfer wäre es schwer, den so wichtigen sozialen Frieden in den Stadtteilen zu sichern, so Renzel. Aber sie ersetzten nicht die Arbeit der Verwaltung und der hauptamtlichen Fachkräfte.
Renzel investiere – so wie viele Mitarbeiter im FB Soziales und Wohnen – viel Zeit in die Kommunikation untereinander. Der Dezernent räumt aber ein, dass das Zeltdorf Pläßweidenweg nur eine Notlösung sei. „Teuer und nicht mit den Standards wie gewünscht. Deshalb bauen wir neu.“ Die Hallen werden mit einem Ausbau in Trockenbauweise versehen, so dass das Innere aus abgeschlossenen Sozialräumen, Küchen und Sanitäranlagen besteht. Das Tragwerk sei hallenartig, entspreche jedoch festen, eingeschossigen Unterkünften mit Fenstern und Türen. Renzel: „Wir werden den Runden Tisch Steele weiter informieren und einbeziehen; dies ersetzt jedoch nicht die Planungs- und Durchführungsveranwortung der Stadt.“ So habe er das auch den Protagonisten, darunter Bürgerschaftschef Eduard Schreyer und Marlies Britz von der Steeler Flüchtlingshilfe, zugesagt. An den Runden Tische nehme man gerne teil: „Hier wird viel koordiniert.“