Essen-Freisenbruch. . Plakatives und beeindruckendes Theaterstück „Ein Tritt ins Glück“ sorgt beim Schulprojekt des Jugendamtes für tiefe Betroffenheit.
Der Mensch ist auch nur ein Mensch. Mal stark, oft aber auch schwach und anfällig. Vieles, das er sich traut, vieles, über das er dann auch redet. Gerne oder immerhin. Aber das ist nur die halbe Wahrheit, denn nach wie vor gibt’s Dinge, die nicht wenige viel lieber verschweigen. Was auch immer, warum auch immer. Weil’s verboten ist, peinlich oder uncool.
Oft ist es die Scham, die dabei vor allem für Jugendliche und junge Menschen eine ganz große Rolle spielt, sind es strenge Eltern oder ausgebrannt-gelangweilte Lehrer, geschwätzige Freunde, unsensible Ärzte. Wer sich schämt, hat Hemmungen – frisst in sich hinein, was besser erzählt worden wäre. Gerade in den prägenden Jahren. Pubertät, Entdeckung des Körpers, der Sexualität. Ein schwierig Ding.
Unheil, Leid, Verbrechen
Ernste oder sehr ernste Themen, die nicht selten unausgesprochen bleiben. Unheil, Leid, Verbrechen sogar. Und so ist es nahezu ein Glück, dass es Möglichkeiten gibt, diese überflüssige Scham zu verscheuchen – etwa mit diesem sehenswerten Projekt zur Prävention sexuellen Missbrauchs. Gedacht und gemacht für Schüler der Klassen 7 bis 10. Angeboten nun auch vom Essener Jugendamt. Und beeindruckend und ohne Blatt vor dem Mund in Szene gesetzt in „Ein Tritt ins Glück“ eines Schauspielensembles der Theaterpädagogischen Werkstatt aus Osnabrück.
„Tatort“ gestern wie heute: die Bühne im Bürgerhaus Oststadt. Nachdem Lina Humberg und Marita Schimnatkowski vom Essener Jugendamt einst das Stück in Oberhausen gesehen hatten, stand schnell fest: Auch die Schüler Essener Schulen müssen die Möglichkeiten haben, sich auf diesem doch ungewöhnlichen Wege mit einem Thema auseinanderzusetzen, das leider stets allgegenwärtig ist.
„Zum Glück“, so Schimnatkowski und Humberg, gab’s Kontakt zum Verein „Menschen gegen Kindesmissbrauch“ aus Mülheim, der spontan half. Und so wurde das Ensemble angeheuert, das gestern für einige Schüler der Friedrich-Froebel-Schule aus Kray und der Marienschule Steele vorspielte, was nicht selten traurige Realität ist.
Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit, denn in Workshops wurde noch einmal sehr intensiv auf den Punkt gebracht, was heranwachsenden Frauen und Männern mitunter so beißend auf der sich schämenden Seele brennt.
Mädchen treffen Jungs und umgekehrt – wie es Tag für Tag und Nacht für Nacht unzählige Male passiert. Hier Sarran (Heidrun Fiedler) und Alex (Stefanie Wennmann), da Paul (Christian Hannig) und Ole (Niklas-Marc Heinecke). Normale Jugendliche. Man läuft sich über den Weg, ist erst schüchtern, dann wieder betont rotzig, neckt sich, verabscheut sich, und als Paul zu viel getrunken und Sarran zu wenig Misstrauen hat, passiert, was nie passieren durfte.
Die Vergewaltigung verstört die Jugendlichen, die plötzlich wieder zu Kindern werden. Ob man’s beichten soll? Sogar muss? „Wir sind doch Freunde.“ Angst essen Seele auf, die Angst vor der Wahrheit. Am Ende verbeugen sich die Schauspieler. Lächelnd und Hand in Hand, war ja nur Theater. Oder.
Am heutigen Mittwoch nehmen etwa 80 Schüler der Steeler Helene-Lange-Realschule an dem Projekt teil – ebenfalls im Bürgerhaus Oststadt. Schulen, Vereine oder andere Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche eine Rolle spielen, können das Ensemble ebenfalls buchen. Die Theaterpädagogische Werkstatt Osnabrück hat auch Stücke für andere Altersklassen im Programm. www.theaterpaed-werkstatt.de