Essen-Steele. . Nach dem Tod von Doris Schöttler-Boll wird die einst vor Kreativitätnur so strotzende Alte Schule gerade leergeräumt.

Einst tummelten sich zahlreiche Künstler, Kunstfreunde und Neugierige im Atelierhaus Alte Schule. Doris Schöttler-Böll verwandelte das Haus im Steeler Rott in ein lebendiges Kreativzentrum. Ausstellungen, Performances und zahlreiche Vorträge zogen Interessierte aus der gesamten Region an den Äbtissinsteig. Doch damit ist es wohl vorbei: Mit Doris Schöttler-Böll, die im Januar dieses Jahres einer schweren Krankheit erlag, stirbt wohl auch das Atelierhaus als Hort der Ideen.

Vermarktung ab Mitte Mai

Die Wände, die einst voller spannender Kunstwerke hingen, sind leer. Mitarbeiter des Stadtarchivs sind dabei, mit Wegbegleitern der verstorbenen Künstlerin das Haus leer zu räumen. Dort hat Doris Schöttler-Böll nicht nur gearbeitet, sondern auch gelebt: Das Atelier-Vergabegremium des Folkwang-Museums hatte 1989 entschieden, ihr die ehemalige Schule als Atelierhaus auf Lebenszeit zur Verfügung zu stellen – bis auf Widerruf. Doris Schöttler-Böll investierte viel Energie und Arbeit, um das Haus nach ihrem Willen zu gestalten. „Die Bodenbretter hat sie eigenhändig abgeschliffen und bemalt”, deutet Christa Weltermann, eine Freundin Schöttler-Bölls, auf den Boden. Sie hat die Künstlerin am Sterbebett im Dachgeschoss des Atelierhauses bis zum Ende begleitet. „Ich habe ihr versprochen, dass ich mich um ihren Nachlass kümmere und dafür sorge, dass alles in gute Hände kommt”, sagt sie. Daher sei sie in Kontakt mit vielen Museen und Archiven, um einige der Werke dort unterzubringen.

Bis Mitte Mai hat Weltermann von der Grundstückverwaltung der Stadt Essen Zeit bekommen, das Haus leer zu räumen. Was dann damit passiert, ist bislang unklar. „Wir geben es dann zur Vermarktung frei”, so Annette Görgens-Pfeiffer vom Objektmanagement der Stadt Essen. Bislang gehen die Gerüchte stark in Richtung Wohnbebauung: Eine Option, die „denkbar, aber nicht entschieden” sei. Dort eine Flüchtlingsunterkunft zu errichten, wie es ebenfalls mal im Gespräch war, sei jedoch „aktuell kein Thema”.

Für die Menschen die sich in dem Haus und dem damit verbundenen Verein „Atelierhaus Alte Schule“ engagieren, wäre es ein trauriger Anblick, wenn die Stadt die alt ehrwürdige Einrichtung zu Gunsten von neuen Wohnungen abreißt. „Ich hoffe, dass das Haus so lange wie möglich als Kulturraum genutzt wird”, sagt etwa die Steeler Künstlerin Edelgard Stryzweski-Dullien. „Es gibt genügend Interessenten in Steele, die den Platz brauchen.”

Hinzu käme, dass das Atelierhaus Alte Schule hochkarätige Leute in den Steeler Rott geholt und diese mit den Bürgern und Anwohnern zusammengebracht habe. Der Literaturwissenschaftler Jürgen Link, der Filmemacher Harun Farocki oder Künstler wie Urs Jaeggi, Matthias Schamp und Timm Ulrichs gehören zu den renommierten Persönlichkeiten, die dort ausstellten, Vorträge hielten und sich Diskussionen stellten. „Auch wenn manches verkopft war: Doris Schöttler-Böll schaffte es stets, Barrieren abzubauen und den einfachen Nachbarsjungen mit dem Hochschulprofessor an einen Tisch zu bringen”, betont Margarethe Lavier. Die Nachbarin des Atelierhauses habe der Künstlerin am Sterbebett versprochen, ihre Arbeit fortzuführen. Und dies müsse ihrer Ansicht nach im Steeler Rott geschehen.

„Der aktuelle Kulturdezernent scheint nicht an Förderung dezentraler Kultureinrichtungen interessiert zu sein”, vermutet Stryzweski-Dullien mit Blick auf das Kreativquartier Essen-Nord, einem von Andreas Bomheuers Lieblingsprojekten. Viele der im Atelierhaus Alte Schule Aktiven hätten bereits Arbeitsstätten im Kreativquartier am Rande der Innenstadt angeboten bekommen. Doch sei es wichtig, dass das Angebot im Stadtteil erhalten bleibe: „Der Steeler Rott verkommt zusehends”, kritisiert Lavier. „Erst wurde die Kirche geschlossen, dann kürzlich das Schwimmbad und jetzt das Atelierhaus.” Die Stadt habe vergessen, dass neben attraktivem Wohnraum auch andere Dinge zur Belebung eines Stadtteils gehören.

Offenbar war das Atelierhaus Alte Schule schon länger auf der Streichliste: „Im November hat Doris bereits die Kündigung erhalten”, so Weltermann. Nur aufgrund ihrer Krankheit habe man sie nicht vor die Tür gesetzt: „Aber bereits am Tag nach ihrem Tod sind wir nicht mehr ins Haus gekommen.“

Die Stadt hatte die Schlösser ausgetauscht, immerhin aber haben die Beteiligten nun jedoch Schlüssel und auch genügend Zeit bekommen, um das Atelierhaus leerzuräumen. Bis die Stadt es mitunter abreißt, wird es wohl nur noch ein traurige Erinnerungsstätte an einen einst lebendigen Ort sein.