Stoppenberg. „Treffpunkt Zukunft“ heißt die Infobörse, die speziell Migranten Berufe aus dem Gesundheits- und Pflegesektor vorstellt. Der Besuch war prächtig.

Miyah Neven (22) aus dem Irak interessiert sich für einen Pflegeberuf: „Nach dem Realschulbschluss würde ich gern so etwas machen.“ Vor fünf Jahren kam sie nach Deutschland. Nach Katernberg, und möchte gerne bleiben. Einen Beruf zu erlernen, wäre hilfreich, deshalb besucht sie die Ausbildungsmesse der TÜV Nord Bildung GmbH.

Im Kompetenzzentrum Zollverein an der Bullmannaue präsentieren heute verschiedene Anbieter Angebote im Pflege- und Gesundheitssektor – und haben dabei besonders Migranten im Blick. Als Ansatz zur Integration, aber auch, weil der Bedarf der Branche besonders hoch ist.

Immer mehr Menschen leiden im Alter an körperlichen Gebrechen, Demenz oder psychiatrischen Erkrankungen und benötigen Betreuung. Tausende Stellen sollen besetzt werden. Doch der Arbeitsmarkt ist leergefegt, wissen Fachleute. Und so geht die Infobörse, die erste dieser Art im Quartier, neue Wege – im Interesse der Anbieter und Nachfrager.

Frauengruppe aus dem Sprachcafé des Bürgerzentrums Kontakt schaut vorbei

Zu Letzteren gehört die Gruppe von Frauen, die sich unter Regie von Sihan Saado den Weg durch die Messe suchen. Sihan Saado wohnt in Katernberg, leitet dort das Sprachcafé im Bürgerzentrum KonTakt. Gemeinsam wollen sie sich über Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten informieren, sagt sie. Aus Syrien, Palästina, dem Libanon und Kolumbien stammen die Frauen, die an jedem Mittwoch zu ihrem Deutsch-Treff kommen. Dort finden Migranten eine Anlaufstelle, um sich auszutauschen und Kontakte zu knüpfen.

Auch auf der Info-Börse können sie solche Kontakte sammeln. Doch sie erfahren auch einiges über die Anforderungen, die Pflegeberufe stellen. Nicht jedem liegt der Beruf, und mancher kommt schnell an seine körperlichen oder psychischen Grenzen. Andere gehen in der Pflege regelrecht auf. So auch Hassan Sheik Ahmed, der in Syrien bereits zwei Jahre lang als Krankenpfleger tätig war. „Nach dem Abitur in seiner Heimat, habe ich das Fach an der Universität in Hama sogar studiert“, sagt er und zeigt seine Zeugnisse.

Verein „Wir in NRW“ gibt Migranten Tipps, wie deren Ausbildungen anerkannt werden

Igor Wenzel von der Stabsstelle für Integration von Flüchtlingen im Bezirk Zollverein hat die Infobörse mitorganisiert.
Igor Wenzel von der Stabsstelle für Integration von Flüchtlingen im Bezirk Zollverein hat die Infobörse mitorganisiert. © Socrates Tassos

Im Moment arbeitet der 30-Jährige jedoch als Gastronomiehelfer. Das bereitet ihm wenig Freude. „Ich hoffe, dass mein Abschluss in Deutschland anerkannt wird“. Einen Antrag hat er gestellt. Wird der bewilligt, muss er noch 900 Stunden Arbeit in der Pflege leisten, also etwa sechs Monate in der Praxis zeigen, was er kann. Schon deshalb ist an diesem Tag auch der Verein „Wir in NRW“ vertreten. In Essen betreibt der Verein eine Beratungsstelle, um Migranten bei der Anerkennung ihrer Ausbildungen zu helfen.

Im Pflegebett liegt eine lebensgroße Puppe mit grauem Haar – ein Dummy, an dem Pflegefachkraft Jessica Sapone anschaulich zeigt, wie man mit Bettlägerigen umgehen soll. Die Kompetenz wird so vermittelt und trainiert. Erst wenn alle Handgriffe sitzen, kümmern sich die Auszubildenden um echte Patienten.

Organisatoren der Infobörse zählen rund 200 Besucher

Pflegeberufe aktiv näherbringen, dafür zeichnet auch Igor Wenzel verantwortlich. Als Mitarbeiter des Jugendamtes leitet er eine von sieben städtischen Stabsstellen für Integration von Flüchtlingen. In diesem Fall die im Bezirk VI, Zollverein. Gemeinsam mit der Arbeitsgruppe „Arbeit und Oualifizierung“, der beispielsweise auch die AWO und die die Diakonie angehören, hat er die Infobörse organisiert.

Kontakt zum Job-Center

Auch das Essener Job-Center, Hollestraße 3, hilft Bewerbern mit Migrationshintergrund beim Einstieg in den Arbeitsmarkt.

Auch um die Anerkennung von im Ausland erworbenen Studien- und Berufsabschlüssen kümmern sich die Mitarbeiter vor Ort. Migranten können spezielle Beratung- und Serviceangebote nutzen, sich qualifizieren oder weiterbilden lassen. Ferner vermittelt das Job-Center auch Geflüchtete an Betriebe. Kontakt unter 8833888.

Nun freut sich Igor Wenzel über die rege Teilnahme: „Anfangs waren es besonders Frauen, doch zum Ende hin kamen auch immer mehr Männer dazu“, sagt er und geht von 200 Besuchern aus. „Alle sind motiviert und oft auch geeignet für diese Berufe.“ Die Planungen zur Infobörse hatten im Oktober 2018 begonnen. Anbieter zu finden, sei kein Problem gewesen. „Der Bedarf ist da“, sagt Igor Wenzel.

Deutschunterricht gehört zur Ausbildung der Krankenpfleger-Assistenten im Uniklinikum

Dr. Ingo Neupert vertritt das Uniklinikum: „Wir haben als einer der größten Arbeitgeber eine soziale Verantwortung.“ Integration sei ein wichtiges Thema. Schon 2016 habe man ein Integrationsprojekt gestartet: Flüchtlinge erhalten im Klinikum eine einjährige Ausbildung zum Krankenpfleger-Assistenten. Am 30. September beginnt in Kooperation mit der „Neuen Arbeit“ der Diakonie Essen der neue Kurs für 15 Teilnehmer. Noch sind Plätze frei. Im April 2020 sind die Absolventen beruflich einen großen Schritt weiter – auch sprachlich, denn auch Deutsch gehört zum Unterricht.

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Das Sprache wichtig ist, aber auch wie gut Integration funktionieren kann, beweist Yoline Ben Boudjemaa. Der 33-Jährige aus Algerien hat in der Heimat Germanistik studiert. Seit 2010 in Deutschland, hat er an der Ruhr-Universität Bochum Sprachlehrforschung studiert. Mittlerweile ist er Sozial-Pädagoge und Deutschlehrer für Flüchtlinge. Täglich sechs Stunden lernen die Migranten, sich hier zu verständigen. Auf der Info-Börse hilft er seinen Schülern, erste Kontakte mit Arbeitgebern zu knüpfen.

Zukünftige Altenpfleger können bei der CSE vor der Ausbildung hospitieren

Bei der CSE, dem Bündnis von Caritas und Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), verlangt man von den Bewerbern vor allem die Bereitschaft, andere pflegen zu wollen. Gesucht werden Pflegehilfskräfte, Pflegeassistenten und Pflegefachkräfte. „Wir sind als Anbieter in ganz Essen ambulant sowie mit stationären Einrichtungen vertreten“, sagt Iris Haagmann. Migranten, die sich für eine dreijährige Ausbildung als Altenpfleger interessieren, dürfen vorher ein paar Tage hospitieren.