Nordviertel. Senioren des Gerhard-Kersting-Hauses erzählten von sich. Dies ließen neun Mädchen und Jungen in ein Theaterstück fließen.
Aline Bosselmann ist begeistert. Mit so viel Einsatz, Kreativität und Spielfreude hatte die Theaterpädagogin nicht gerechnet. Erst Anfang März hatten sich die neun Mädchen und Jungen zum ersten Mal getroffen, um gemeinsam ein Stück zu entwickeln. Das feierte dann bereits am 6. April in der „Box“ Premiere. Jetzt steht noch die letzte Vorstellung am 30. Mai aus. „Ein Spiel, das den eigenen Alltag unter die Lupe nimmt und dabei die Zeit verlässt“, wirbt die Theater-Website.
Kontakte zu den Senioren des Kersting-Hauses
Bei der Produktion wirken Ilayda, Jamie, Joann, Knut, Emilia, Carolin, Marlen, Marla, Fynn und Tom mit. Unter dem selbst gewählten Namen „Die Nichtsnutze“ haben sie Kontakte zu Senioren des Gerhard-Kersting-Hauses geknüpft. Vor allem, wie deren Alltag in der Kindheit aussah, interessierte die Kinder. Wie lebte man vor 70, 80 oder gar 90 Jahren? Und welche technischen Geräte nutzte man? Die kurzen Interviews mit sechs pflegebedürftigen Bewohnern hat die Gruppe aufgezeichnet und die Statements in die rund 40-minütige Produktion integriert. Die Erinnerungen der Senioren erlaubten den Schauspielern eine Art Zeitreise.
Teilnehmer wurden angeregt, ihren Alltag zu hinterfragen
„Die Geschichten von früher haben die Teilnehmer dazu angeregt, ihren eigenen Alltag zu hinterfragen“, erklärt Bosselmann. Dabei gewannen sie wichtige Erkenntnisse. „Wir können uns glücklich schätzen, dass wir in einer so friedlichen Umgebung leben!“, vergleicht Knut (13) die Lebenssituationen der Generationen. „Für mich waren Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten interessant“, fügt Emilia hinzu. Auch Freundschaft und Mobbing früher und heute wurden unter die Lupe genommen.
„Mit den alten Leuten über alles zu reden, fand ich gut! Eine Frau hat gesagt: Ihr habt ja heute ein tolles Leben“, erzählt Ilayda (10). „Jetzt gibt es noch Zeitzeugen, die darüber berichten können, falls ihr irgendetwas Genaueres haben wollt und nicht nur aus Lehrbüchern“, sagt Tom (12) auf der Bühne. Jamie (13) fragt ins Publikum: „Was sagt man denn, wenn jemand sagt: Ich sterbe ja eh bald?“
Auch die Älteren profitierten von der Begegnung
Weil viele Bewohner nicht mehr mobil genug sind, das Altenzentrum zu verlassen, durften die Kinder ihr Stück auch dort aufführen. Einrichtungsleiterin Ute Herrmann hat das Projekt gern unterstützt. Denn auch die Älteren haben von den Begegnungen profitiert. „Es war mal Jugend unter uns. Und die fehlt uns mitunter! Ehrlich! Man konnte mal frei reden, wie unser Leben so verlaufen ist, von jung bis alt. Das war schön!“, erklärt ein Bewohner glücklich. „Ich wollte sofort mitmachen“, betont Marga Scholz (89).
Sie hat vier Kinder, sieben Enkel und zwei Urenkel. Aber alle wohnen weit weg und haben keine Zeit vorbeizukommen. Erhard Arndt hat nicht nur die Fragen bereitwillig beantwortet. Er ließ die Kinder anschließend in seinem Rollstuhl Probe sitzen. Früher war er Sanitäter auf dem Sportplatz. Waltraud Westhoff (68) machte bei den Tonaufnahmen zum Thema Freundschaft mit. „Ich würde mich freuen, euch wiederzusehen!“, sagt sie zu den Kindern.
Letzte Aufführung folgt Ende Mai
Besondere Momente haben Jung und Alt erlebt. Einigen Kindern ist aufgefallen, dass die Zuschauer bei beiden Aufführungen an manchen Stellen weinen mussten, wie in der Szene „Wenn Worte nicht mehr reichen“. Da geht Tom zu Knut, um ihn zu umarmen. Doch der schubst ihn weg. „Eigentlich gefällt es mir, Emotionen zu zeigen!“, kommentiert Knut diesen Auftritt.
Ende des Monats steht die letzte Vorstellung auf dem Plan. Eigentlich würden alle Jugendlichen gern weitermachen. „Auf der Bühne geht das leider nicht“, bedauert auch die Theaterpädagogin Aline Bosselmann. Aber privat. „Ich komme gern mal zum Klavier spielen!“, verspricht Caro (13).