Essen-Altenessen. . Mitglieder der muslimischen Jugendgruppe „Taha“ kommen nach Altenessen ins Seniorenzentrum, wo beim Bingo letzte Berührungsängste verloren gehen.

Welch eine charmante Idee. Vor rund fünf Jahren riefen die Mitglieder der muslimischen Jugendgruppe „Taha“ die „Aktion Nächstenliebe“ ins Leben – und besuchen seitdem regelmäßig zur Weihnachtszeit Menschen christlichen Glaubens, „die doch ansonsten oft vergessen werden“. Junge Muslime aus Essen, Bottrop und Gladbeck. Junge, aufgeschlossene, moderne Menschen mit libanesischen, türkischen oder marokkanischen Wurzeln, die selbst meist kein Weihnachten feiern, in diesen Tagen jedoch bewusst in Kindergärten oder Seniorenheime gehen und anderen die Zeit vertreiben. Wie nun im Seniorenzentrum in Altenessen, wo Jussra Ibrahim und vier Freunde beim Bingo-Nachmittag mitmischten. Berührungsängste oder konfessionelle Vorurteile spielten keine Rolle. Bei allen.

Rosen und Schokolade

Die Bingo-Fee: Altentherapeutin Beate Stemmer vom Sozialen DIenst kümmert swich um die Zahlen.
Die Bingo-Fee: Altentherapeutin Beate Stemmer vom Sozialen DIenst kümmert swich um die Zahlen. © Socrates Tassos

Bingo. Das aus den USA und England längst auch nach Deutschland herübergeschwappte Lotteriespiel gehört auch an der Altenessener Straße 170 zum festen Programm. „Wir treffen uns immer montags“, so Beate Stemmer, eine der rührigen Altentherapeutinnen vom Sozialen Dienst des Hauses.

Das an sich ist bereits ein großer Spaß für viele Bewohner, die beim Bingo oft ungeahnten Ehrgeiz entwickeln, sich ausgiebig freuen oder ärgern, die freundlich schimpfen („Heute klappt hier aber auch gar nix . . .“) oder lautstark jubilieren („Bingooooo!“). Und wenn dann auch noch so freundlicher Besuch dabei ist, der am Ende sogar Rosen und Schokolade überreicht, dann ist der Nachmittag gerettet.

Durch die Bank positive Reaktionen

„Wir wollen uns sozial und politisch engagieren“, umreißt Jussra Ibrahim die Beweggründe von „Taha“. Wie für ihren Bruder Mahdi, für Layal Zreik, Mohamed Joumaa und Ahmed Alebudy ist es auch für die 19-Jährige eine große Freude, den meistenteils älteren oder auch alten Herrschaften einen Besuch abzustatten. Bislang überreichten die Mitglieder von „Taha“ Blumen, diesmal wollten sie bewusst mehr Zeit mit den Menschen verbringen, was natürlich auch bei Einrichtungsleiterin Karin Kurtenacker auf offene Ohren stieß. „Seit dem vergangenen Jahr gibt es diese Aktion auch landesweit“, freut sich Jussra Ibrahim über die durchweg positiven Reaktionen, die die rund 30 Mitglieder von „Taha“ regelmäßig bekommen würden.

Freundlich und aufgeschlossen: Ahmed Alebudy von der Gruppe „Taha“ berät eine Bewohnerin.
Freundlich und aufgeschlossen: Ahmed Alebudy von der Gruppe „Taha“ berät eine Bewohnerin. © Tassos

Und die Bewohner im Seniorenzentrum? Die werden ebenfalls richtig schnell warm mit ihren jungen Besuchern und bewundern dabei unübersehbar etwa das weinrot schimmernde Tuch der Kopfbedeckungen beider Frauen.

Willkommene Abwechslung

„Wir konnten gar kein Bingo spielen, haben uns im Vorfeld daher extra die Grundregeln angelesen“, verrät Jussra Ibrahim. Das ist aber am Ende gar nicht entscheidend, denn als viel wichtiger empfinden es viele der Bewohner, dass sich auch noch andere für sie interessieren. Andere als die, die das mit ebenso viel Herzblut, letztlich aber halt auch professionell tun.

Neulich war die Kreisjägerschaft da, nun wieder diese muslimische Jugendgruppe – und bald wird ja auch Weihnachten gefeiert. Es lebe die Abwechslung.

>>DIE MUSLIMISCHE JUGENDGRUPPE „TAHA“

Die muslimische Jugendgruppe „Taha“ von der Gemeinschaft Libanesischer Emigranten (G.L.E.) setzt sich seit 2013 für einen Austausch zwischen Christen und Muslimen ein. Zu der Gruppe gehören aktuell etwa 30 junge Leute aus Essen, Bottrop undGladbeck. Die treffen sich regelmäßig in der Moschee des „Imam Al Rida Zentrums“ an der Essener Straße in Bottrop.