Altenessen-Süd. . Der jüdische Friedhof im Segeroth bezeugt die lange Geschichte jüdischer Familien in Essen. Jutta Eckenbach (CDU) hatte zur Führung eingeladen.

Es ist ein besonderer Ausflug, zu dem die Essener CDU-Bundestagsabgeordnete Jutta Eckenbach einlädt: Gemeinsam mit 25 Bürgern besichtigt sie unter der Führung von Martina Strehlen, der stellvertretenden Leiterin der Alten Synagoge, den jüdischen Friedhof im Segeroth. Der ist normalerweise nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.

Grabsteine ragen wie Stümpfe aus dem Gras

Als Martina Strehlen das eiserne Tor zu dem größten jüdischen Friedhof in der Stadt öffnet, betreten die Gäste fast ehrfurchtsvoll ein Totenfeld, das viel über die jüdische Geschichte in der Stadt erzählt. Davon zeugen nicht nur die vielen, während der Nazizeit zerstörten und geschändeten Grabsteine, die wie Stümpfe aus dem Gras ragen. Hier liegen auch etliche Honoratioren, deren Namen noch heute einen Klang haben. Wie Simon Hirschland: Der Privatbankier war der erste, der auf dem 1885 eröffneten Friedhof seine letzte Ruhe fand. Seine herrschaftliche Familiengruft mit einem verwitterten tempelähnlichen Grabstein bestätigt, wie groß das gesellschaftliche Ansehen war, das Hirschland im vorletzten Jahrhundert genoss.

Denn der Friedhof, und das erzählt Martina Strehlen sehr eindrucksvoll, wurde in einer Zeit gegründet, als das jüdische Leben geprägt war von Vielfalt, Selbstverständlichkeit und Selbstbewusstsein. Die Essener jüdischen Glaubens fühlten sich voll integriert, ihre Religionszugehörigkeit spielte keine große Rolle. Sie verstanden sich primär als Bürger des Deutschen Reichs. Viele Grabsteine belegen das mit ihren deutschen Inschriften. „Wenn es jüdische Symbole gab, dann meist den Davidstern.“

Friedhof ist für die Ewigkeit angelegt

Die Bestattung erfolgte nach den eigenen jüdischen Ritualen. „Die jüdischen Friedhöfe werden für die Ewigkeit angelegt, die Totenruhe darf nicht gestört werden“, erklärt Strehlen. Das Grab und der Stein gehören dem Toten und dürfen weder eingeebnet noch zerstört werden. „Und es ist verboten, Steine oder Blumen vom Friedhof mitzunehmen.“

Das Gräberfeld war schnell voll belegt, wie alte Fotos, die die Kennerin des Judentums für die Führung mitgebracht hat, beweisen. Wo einst Grabstein neben Grabstein stand, sind heute allerdings viele freie Flächen. Nur wer genau hinschaut, erkennt hier und da dunkle, rechteckige Umrisse im Gras. „Die Nazis haben die letzten verbliebenen Juden im Jahr 1943 gezwungen, die Grabsteine ihrer lieben Verstorbenen zu verkaufen.“ Dazu kamen noch die Bombardierungen der letzten Kriegsjahre, die auch die imposante Friedhofshalle zerstörten. Sie wurde nicht wieder aufgebaut.

Heute befinden sich etwas über 700 Grabsteine auf dem denkmalgeschützten Friedhof. Ob alle nach der Zerstörungswelle wieder an der richtigen Stelle aufgestellt wurden, ist nicht immer klar. Zu den prominentesten Essenern, die hier begraben wurden, zählt die Familie Rubens (Borbecker Kaufhausbesitzer) und die Familie von Moses Samson, dem Gründer des einst größten Schuhhauses in Deutschland. Das steht immer noch auf der Limbecker Straße; trägt allerdings seit 1938 den Namen Grüterich – Folge eines Zwangsverkaufs unter den Nazis.

Nur noch selten kommen Nachfahren zum Assmannweg

Nur noch selten kommen Nachfahren auf den Friedhof am Assmannweg. Dennoch gibt es für einige Überlebende immer noch eine Verbundenheit zur alten Heimat, wie ein nach dem Krieg errichteter Gedenkstein belegt: Er erinnert an die von den Nazis ermordete Mutter, aber auch an die in der Ferne Verstorbenen, denen die Flucht gelungen war.