Essen-Katernberg. . Sie haben Kommunikationsdesign an der Folkwang-Universität der Künste studiert. Doch nun betreiben sie ein eigenes Tattoo-Studio in Katernberg.

Die beiden eingerahmten Bachelor-Zeugnisse, die über dem Vitrinenschrank aus dunklem Holz hängen, weisen Moritz Velten und Melina („Melli“) Di Febo als kreative Menschen aus. Der 28-Jährige und die 27-Jährige haben Kommunikationsdesign an der Folkwang-Universität der Künste studiert. Während ihre Kommilitonen nach dem Studium oft als Werbegrafiker oder in ähnlichen Jobs ihre Brötchen verdienen, schlagen Moritz Velten und Melina Di Febo einen anderen Weg ein. Sie eröffnen Anfang Juli einen Tattoo-Shop. Auf den ersten Blick eher ungewöhnlich, auf den zweiten einleuchtend.

„Opppa“ wunderte sich doch sehr über seinen Enkel

„Du warst nicht im Knast und bist nicht zur See gefahren“, gibt Moritz Velten, der in Katernberg aufgewachsen ist, die erste Reaktion seines „Opppas“ wieder, als der hörte, was sein Enkel vorhat. Häftlinge, Seefahrer und Rocker gelten lange Zeit als die Tattoo-Träger schlechthin. Das ist Legende, denn schon Kaiserin Elisabeth „Sissi“ trug einen Anker auf der Schulter. Ebenso ist Legende, dass Matrosen abends auf der Reeperbahn feierten und tranken und am nächsten Morgen mit dickem Kopf sowie einem tätowierten Frauenkörper plus dazugehörigem Namen auf dem Bizeps aufwachten.

Tattoos sind längst gesellschaftsfähig

Tattoos sind längst gesellschaftsfähig, ja Mode. „Kürzlich las ich eine Statistik, wonach jeder dritte oder vierte Mensch in Deutschland ein Tattoo habe“, erzählt Moritz Velten. Im Alltag schwer nachzuprüfen, auch wenn die Art der Tätowierungen sich in den letzten zehn Jahren verändert hätten. Die kleine Blume auf der Po-Backe hat beim Schlendern über die Kettwiger niemand gesehen. Heute tragen viele Menschen die meist großflächigen Bilder auf ihrer Haut regelrecht zur Schau. „Sie wollen sich von anderen Menschen abheben“, sagt Moritz Velten. Und zwar durch alle gesellschaftlichen Schichten, auch wenn im Berufsalltag die Bilder oft noch verdeckt werden müssen.

Frauen wählen dezentere Motive

Vielfältig wie die Kundschaft seien die Motive. Während Frauen meist dezentere Versionen wählten, dürfe es bei Männern gern provokanter sein. „Das heißt aber nicht, dass es nicht die 20-Jährige gibt, die in einer Apotheke arbeitet und sich einen Tiger im Kampf mit einer Krake über den gesamten Arm stechen lassen will“, sagt Moritz Velten. Sehr beliebte Motive seien zurzeit Mandalas, geometrische Symbole aus Indien, die als Meditationshilfe dienen. In römischen Ziffern geschriebene Daten würden auch gern verlangt. Das „Arschgeweih“, vor Jahren der Hit, wird nicht mehr verlangt. „Wer eines hat, trägt es mit Würde oder lässt es sich übermalen“, erklärt Velten. Motive wie Dürers „Betende Hände“ wären für Velten und Di Febo aber auch kein Problem. Gelernt ist halt gelernt.

Der Preis für ein Tattoo hängt von Größe und Aufwand ab. Es fängt bei 50 Euro an. Ein kompletter Rücken kann gut und gern 3000 Euro kosten. Dabei sind Tattoos beileibe kein Vorrecht der Jugend. „Kürzlich kam mein früherer Kunstlehrer und ließ sich eines stechen. Der müsste so um die 65 sein“, erzählt Melina Di Febo. Und er wolle wiederkommen.

Pixel-Rose auf dem Arm, Borneo-Rose am Schlüsselbein

Moritz Velten und Melina Di Febo wären unglaubwürdige Vertreter ihrer Zunft, würden sie nicht selbst Bilder auf der Haut tragen. Sie ließ sich mit 19 ihren linken Unterarm durch eine Pixel-Rose verzieren. Er trägt seit seinem 18. Lebensjahr eine „Borneo Rose“, ein südostasiatisches Symbol fürs Erwachsenwerden, unter dem linken Schlüsselbein. Dabei blieb es bei beiden aber nicht. Veltens Haut ist mittlerweile gut zur Hälfte „bemalt“.

Moritz Velten bereitet eine Tätowiernadel vor. Foto Services
Moritz Velten bereitet eine Tätowiernadel vor. Foto Services © Ulrich von Born

Ein anerkannter Ausbildungsberuf ist der des Tätowierers nicht. Ebenso sind zum Beispiel die Hygiene-Vorschriften nicht so streng wie beim Piercen. „Ich fände es gut, wenn es ein Ausbildungsberuf wäre. Piercen hat strengere Vorschriften, weil es durch die Haut geht. Wir bleiben an der Oberfläche“, sagt Moritz Velten. Eine Einverständniserklärung muss trotzdem jeder Kunde unterschreiben. Minderjährige werden erst gar nicht bedient. „Auch nicht mit Einverständnis der Eltern“, betont Melina Di Febo nachdrücklich.

Werbematerial für das Tätowierstudio *Schwarzwerk*.
Werbematerial für das Tätowierstudio *Schwarzwerk*. © Ulrich von Born

Moritz Velten wohnt zwar mit seiner Freundin in Gelsenkirchen, hat sich beim Shop-Standort bewusst für seine alte Heimat Katernberg entschieden und für „Schwarzwerk“ die früheren Räume eines Bestatters angemietet. „Schwarzwerk“ ist die Übersetzung von „Black Work“, der Methode, mit der der 28-Jährige die Bilder sticht. Zu sehen auch in seiner Bachelor-Arbeit.

Ihr Titel: Unter die Haut.