Essen-Altenessen. . Spaß an Fahrrädern hat Wilhelm Wegener (71) seit Kindesbeinen. Als er gefragt wurde, Räder für Flüchtlinge zu reparieren, sagte er nicht nein.
Im Hinterhof des Hauses von Wilhelm Wegener bildet ein Dutzend Fahrräder an diesem sonnigen Morgen das Empfangskomitee. Das dunkel-pinke Damenrad hat sich ebenso wie das schwarze Herren-Tourenrad eingereiht. Davor ist ein blaues Mountainbike auf einem Ständer aufgebockt. Wilhelm Wegener geht in die Hocke, legt Daumen und Zeigefinger um eine Speiche und prüft, ob sie noch korrekt sitzt. Mal ist es eine Speiche, mal ist ‘ne Acht im Rad, mal ist es die Beleuchtung. „Schon als Kind hatte ich Spaß, an Fahrrädern zu basteln“, sagt der Mann mit dem grauen Schnauzbart, dessen Enden schwungvoll nach oben gezwirbelt sind.
Wilhelm Wegeners Jugendtage sind lange her. „Damals konnten wir froh sein, wenn ein Fahrrad eine Torpedo-Dreigang-Schaltung hatte.“ Die Liebe zum Fahrrad sich hat der 71-Jährige über die Jahrzehnte bewahrt. Das wundert nicht, haben ihn Maulschlüssel, Zange und Schraubendreher doch durch sein Berufsleben begleitet. Erst hat er Schlosser gelernt, danach packt er ein Maschinenbau-Studium drauf. Das kommt ihm heute noch zugute. „Irgendwann kam jemand und sagte, du kannst doch Fahrräder reparieren – das war der Anfang“, erinnert sich Wilhelm Wegener, dessen Frau Irmgard beim Runden Tisch Erbslöh-straße mitmachte.
Männerrunde trifft sich an jedem Donnerstag
Sein Engagement beschränkt sich nicht auf die Fahrräder. Jeden Donnerstag geht er zur Männerrunde in den „Treffpunkt Süd“ und versucht, den Flüchtlingen im Alltag zu helfen. Fahrräder spielen da meist eine Nebenrolle. Da ist der 27-jährige Informatiker aus Syrien, der dringend wissen will, wie eine korrekte Bewerbung auszusehen hat. Wilhelm Wegener, der sich auch im Gemeindeleben von St. Johann engagiert, weiß Rat. Seine Tochter, die beim RVR arbeitet, setzt sich an einem Donnerstagabend mit dem Informatiker abseits der Flüchtlingsgruppe hin und geht mit ihm Punkt für Punkt die Bewerbung durch. „Diese Menschen wollen arbeiten und nicht vom Sozialamt leben.“
Oder da ist der 15-Jährige, der so gern ein Mountainbike hätte. Dabei stellt sich heraus, dass der syrische Teenager nicht zur Schule geht. Wilhelm Wegener bittet einen Arabisch sprechenden Lehrer, sich darum zu kümmern. Oft beratschlagt sich der 71-Jährige auch mit Achim Gerhard-Kemper, dem evangelischen Pfarrer im Ruhestand aus Altenessen.
„Zum Markt fahre ich mit dem E-Bike“
Und doch: Fahrräder lassen Wilhelm Wegener nie ganz los. Er selbst tritt pro Jahr etwa 4000 Kilometer in die Pedale. Er ist in einer Woche auch schon mal von Altenessen nach Berlin geradelt, ist dort den Mauerradweg gefahren und mit der Bahn zurückgekehrt. Für längere Radstrecken nimmt er ein Tourenmodell, dem nicht sofort anzusehen ist, dass es mehrere Tausend Euro wert ist. „Zum Markt fahre ich mit dem E-Bike. Da bin ich an jeder Ampel der Schnellste“, sagt er und muss unweigerlich schmunzeln.
Wegeners Haus soll demnächst Startpunkt für eine Radtour mit Flüchtlingen werden. „Zum Eingewöhnen wird es aber erst einmal eine kleine Tour sein“, sagt der 71-Jährige. Zur Zeche Zollverein soll es gehen – und von da aus wahrscheinlich kurz über die Stadtgrenze zur Zeche Nordstern. Möglichst wenig über Straßen, viel am Kanal entlang, denn wie man sich in Deutschland als Radfahrer im Straßenverkehr verhält, müssten die Flüchtlinge ja erst einmal lernen.