Essen-Altenessen. . Stromschlag drohte: Wertvolles Instrument durfte aus Sicherheitsgründen nicht mehr gespielt werden. Nach Restaurierung wird es nun neu aufgebaut.
Orgeltöne wurden in der Alten Kirche in Altenessen seit langem vermisst. Denn die historische Sauer-Orgel aus dem Jahr 1890 ist seit vier Jahren verstummt. Doch gestern morgen bliesen die Orgelbauer der österreichischen Firma Rieger aus Vorarlberg erstmals wieder in die hölzerne Pfeifen. Die fünf Experten mit Matthias Wagner an der Spitze sind seit Montag in der Stadt, um die prachtvolle historische Orgel wieder aufzubauen. Die Hoffnung ist also begründet, dass die evangelische Kirchengemeinde sie in etwa vier Monaten wieder für Gottesdienste und Konzerte nutzen kann.
Seit Wilhelm Sauer das Instrument Ende des vorletzten Jahrhunderts aufgebaut hat, musste die Orgel zahlreiche Schicksalsschläge hinnehmen. Sei es während des Ersten Weltkriegs die Umwandlung von Pfeifen in Munition oder der Brand des Spieltischs im Jahre 1949. Das Ergebnis all dieser Ereignisse war eine Orgel, die schon längst ihren ursprünglichen, besonders auf die protestantische Kirchenmusik abgestimmten Klang verloren hatte.
Und das wollte und – nach eigenem Selbstverständnis – musste die Kirchengemeinde ändern. „Für die Menschen im Essener Norden ist es wichtig, das die Kirche schön ist und die Orgel gut klingt“, unterstreicht Pastorin Ellen Kiener ihre Bedeutung, die sie auch im Umgang mit Kita-Kindern und Konfirmanden spüre.
In drei Blöcken bauen die Orgel-Experten nun das Instrument wieder auf. Nach den ersten drei Wochen geht es noch einmal zurück in die Werkstatt, um dann weiter die Pfeifen, Blasebälge und den Spieltisch aufzubauen. „Das ist eine schwierige Aufgabe, weil diese Orgel eine der letzten mechanischen ist. Die neueren waren pneumatisch, hatten also eine Luftsteuerung“, erläutert Matthias Wagner.
Original-Blasebalg wurde kopiert und neu gebaut
Mitgebracht hat er einen der beiden verbliebenen originalen Blasebälge. Er wurde restauriert und noch dazu ein-zu-eins kopiert, weil die originale Orgel zwei Blasebälge hatte. Welche Kunst es ist, allein diese Holzgerüste zu bauen, erkennt man an zwei Details: Die Blasebälge sind aus dem Leder von 20 Schafen und die Scharniere aus Katzendarm gefertigt. „Sechs Wochen Arbeit stecken in solch einem Blasebalg“, erklärt Matthias Wagner. Anders als früher muss aber kein Konfirmand den Blasebalg treten, damit der Organist in die Tasten greifen kann.
„Ihre Klangfarbe muss einheitlich und homogen sein.“
Ende April, so hofft der Orgelbauer und Organist, wird der Zeitpunkt gekommen sein, die Orgel zu intonieren. „Ihre Klangfarbe muss einheitlich und homogen sein. Sauer hat eine eher kleine, aber laute Orgel für diesen großen Kirchenraum gebaut. Der Klang wird ihre Visitenkarte sein.“
Die Experten müssen sich allerdings noch in Geduld üben, bis das Instrument in seiner vollen Schönheit von der Empore schallt. Auf jeden Fall müsse ein Winter vergehen, weiß Kreiskantor Thomas Rudolph aus Steele. „Man rechnet mit zwei Jahren, bis sich das Holz akklimatisiert und die Orgel sich beruhigt hat. Bis dahin muss man sich um sie kümmern, nachjustieren und nachregulieren.“
Für Matthias Wagner, der weltweit Orgeln restauriert hat und auch schon in Steele im Einsatz war, ist der Mut der Altenessener Kirchengemeinde „der Clou und bemerkenswert“, sowohl die Orgel für knapp eine halbe Million Euro restaurieren zu lassen, als auch ein neues Gemeindezentrum zu errichten.
Finanzierungslücke ist noch sehr groß
Doch Mut alleine reicht nicht aus, die Arbeit muss schließlich auch entlohnt werden. Und da sind noch einige Löcher im Budget zu stopfen. Bisher hat die Gemeinde wohl schon 90 000 Euro aus eigenen Mitteln gesammelt, doch die Hoffnung auf Sponsoren und Stiftungen hat sich noch nicht erfüllt. Durch sie kamen erst 80 000 Euro zusammen. Finanzkirchmeisterin Ulrike Bauza nimmt es mit Humor: „In Altenessen sammeln wir kleine Scheine, große Scheine finden uns nicht.“