Altenessen/Südviertel. .
Der Künstler Gunter Demnig bringt bald sieben weitere Stolpersteine nach Essen. Er wird diese am nächsten Freitag, 28. Februar, an sechs Stellen – vor einem Haus zwei – im Stadtgebiet verlegen. Die Stolpersteine – quadratische Messingtafeln mit der Fläche eines Pflastersteins – erinnern an Opfer der Naziherrschaft. Demnig bettet sie stets dort in den Gehweg ein, wo diese Menschen vor ihrer Deportation, ihrer Flucht oder ihrer Ermordung gewohnt haben. 244 Stolpersteine sind seit dem Mai 2004 in Essen verlegt.
Gunter Demnig beginnt mit seiner Arbeit an der Ecke Stein-/ Brunnenstraße. Im Südviertel zementiert er den Stolperstein für Louis Schild. „Louis Schild war als schwuler Jude doppelt betroffen von der nationalsozialistischen Aggression“, beschreibt Andreas Koerner, im Historischen Verein Essen fleißiger Datensammler für Stolpersteine. „Weil ihm keine Straftat nachzuweisen war, konnte kein offizielles Strafverfahren gegen ihn eingeleitet werden. Er wurde von der Gestapo am 28. August 1935 inhaftiert und am 21. Oktober in das Konzentrationslager Esterwegen überführt, wo er am 18. November 1935 verstarb.“ Pate dieses Stolpersteins ist der Verein Aidshilfe-Essen.
Von dort begibt sich Gunter Demnig zur Isenbergstraße 3. Dort wohnten Magda und Max Frank. Als Juden waren beide zunehmend in Gefahr. Max Frank war 1939 nach Brüssel geflohen. 1939 war er auf dem Schiff „St. Louis“ mit ungefähr 900 anderen jüdischen Flüchtlingen. Dieses Schiff durfte mit seinen Passagieren nicht in den Hafen von Havanna einlaufen und kam nach Wochen zum Ursprungshafen Antwerpen zurück. Max Frank kam 1942 in das Sammellager Malines. Sein weiteres Schicksal ist unbekannt. Seine Ehefrau Magda, geborene Neter, war 1939 nach Holland geflohen. Von dort kam sie 1943 nach Auschwitz, wo sie am 12. Februar 1943 ermordet wurde. Diese beiden Stolpersteine werden auf Wunsch des Sohnes Helmut Frank verlegt. Er wurde am 9. März 1923 geboren und lebt im Nelly-Sachs-Altersheim in Düsseldorf.
Danach fährt Gunter Demnig nach Altenessen-Süd, um dort vier Stolpersteine zu verlegen. Für weitere Stolpersteine im Stadtteil hatte sich die Bezirksvertretung V ausgesprochen. In der Rahmstraße 141 wird ein Stolperstein für Julius Warmann verlegt. Er war am 4. Juli 1932 von Mitgliedern der SA erstochen worden. Diese Mordtat hatte die Polizei nicht untersucht, die Täter nie ermittelt. „Dieser Mord zeigt, dass in Essen schon vor der sogenannten Machtergreifung vom 30. Januar 1933 der Rechtsstaat zum Teil nicht mehr vorhanden war“, blickt Koerner zurück.
Die nächste Station ist die Vogelheimer Straße 50. Dort wohnte Peter Balnus. Als Soldat der Wehrmacht kam er 1943 wegen kritischer Äußerungen vor ein Feldgericht. Wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ wurde er am 26. Februar 1943 zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Die Strafe wurde am 18. September 1943 ausgesetzt. Gleichzeitig wurde er einer Strafkompanie zugeteilt. Diese Strafkompanie bestand ausschließlich aus Soldaten, die aus ähnlichen Gründen straffällig geworden waren. Ohne Waffen wurden sie zwischen den feindlichen Linien zu Stellungsbauarbeiten eingesetzt. Peter Balnus starb dabei am 13. Februar 1945. Pate dieses Stolpersteins ist Norbert Köring aus Altenessen-Süd.
Die nächste Adresse ist der Feldmannhof 2. In diesem Haus wohnte Franz Kraus. Ihm wurde 1941 Wehrdienstsabotage vorgeworfen. Der genaue Sachverhalt lässt sich nicht mehr ermitteln. Jedenfalls wurde er in das Konzentrationslager Natzweiler eingewiesen, wo er am 12. Januar 1942 starb. Er war gerade 23 Jahre alt.
Die letzte Station für Gunter Demnig ist die Großenbruchstraße 30. Dort wohnte Hermann Hammacher. Er war Essener Chefredakteur der SPD-Zeitung „Volkswacht“ und Essener Führer des Reichsbanners – ein überparteiliches, in der Hauptsache sozialdemokratisches Bündnis zur Verteidigung der demokratischen Weimarer Republik gegen seine Feinde. Am Tag der Kommunalwahl am 12. März 1933 war er von dem NS-Regime willkürlich in ,Schutzhaft’ genommen worden.
Nach der Entlassung im Mai 1933 hielt er sich einige Zeit in Essen verborgen und floh später in die Niederlande. „Als die deutschen Truppen 1940 einmarschiert waren, setzte er seinem Leben selbst ein Ende, um nicht in die Hände der Nazis zu fallen“, ermittelte Andreas Koerner.