Katernberg. In eine neue Wohnsiedlung direkt hinter der Zollverein-Kokerei ziehen jetzt die ersten Eigentümer ein.

Damit wird ein weiteres Wohnprojekt in einem der nördlichen Stadtteile fertig – und widerlegt erneut das Vorurteil, dass angeblich niemand herziehen will. Denn: „Nirgendwo wurde in den letzten Jahren so viel neuer privater Wohnraum errichtet wie in den nördlichen Stadtteilen”, sagt Hans-Jürgen Best, Planungsdezernent der Stadt.

Im Juni 2008 war offizieller Spatenstich an der Josef-Hoeren-Straße in Katernberg. Auch Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger (CDU) kam – obwohl es in der Stadt deutlich größere Baustellen gibt. Die niederländische „Ten Brinke Wohnungsbau”-Gesellschaft errichtet seitdem 49 rot verklinkerte Wohneinheiten als Reihen- oder Doppelhaushälften auf einem ehemaligen Bauernacker. Bis zur Kokerei Zollverein sind es höchstens zehn Fußminuten.

Etwa sechs quälend lange Jahre dauerte das politische Gezerre im Stadtbezirk um dieses Projekt. „Man hat sehr lange gebraucht”, sagt Erik Lokotte, Geschäftsführer der „Ten Brinke”-Gesellschaft. Trotzdem hielt die Firma an ihrem ersten Projekt auf Essener Stadtgebiet fest: „Wir hatten das Gefühl, dass an diesem Ort etwas machbar wäre.” Dem nicht immer guten Ruf Katernbergs zum Trotz.

Insgesamt seien bereits 20 Wohnheiten verkauft, weitere fünf reserviert. „Wohnpark im Glück”, mit diesen Worten bewirbt die Firma ihr Projekt. Die Nähe zum Weltkulturerbe wird dabei unmittelbar herausgestellt.

Zu den ersten Eigentümern, die jetzt einziehen, zählen Jens und Daniela Neubert (33, 35). Er stammt aus Bochum, sie aus Borbeck. „Uns hat das Preis-Leistungsverhältnis überzeugt”, sagt das Paar.

Für die Doppelhaushälfte, die sie beziehen, bezahlt man im Süden der Stadt gut und gerne das Zweifache: Für knapp 130 Quadratmeter Wohnfläche zahlt man in der Grund-Ausstattung 197 000 Euro. Die Häuser sind voll unterkellert. Das Dachgeschoss ist ausgebaut, und wer will, kann selbst tapezieren und anstreichen – das spart ein paar tausend Euro. Die Häuser haben Fußbodenheizung, verbrannt wird Gas. Von den Obergeschossen aus hat man einen guten Blick auf die 1993 still gelegte Kokerei.

„Manche Freunde haben uns gewarnt: Wie könnt ihr nur nach Katernberg ziehen?”, sagt Daniela Neubert. „Aber wir wissen nicht, warum das ein Problem sein soll. Im Gegenteil.” Das Paar hat dabei die Familienplanung im Blick – so lange wird eins der Zimmer, das als Kinderzimmer ausgewiesen ist, als Unterkunft für Gäste genutzt.

Von 1998 bis 2003 hat die Stadt Bürger, die Eigentum in Essen erwarben, sogar noch mit Geld unterstützt – gezahlt wurden zwischen 5000 und 15 000 Euro pro Familie. „Das Geld wurde an alle gezahlt, nicht nur an Leute, die in den Norden gehen”, erinnert sich Rudolf Gruber, Abteilungsleiter im Planungsamt. So wollte man den Wegzug von Bürgern verhindern. 300 bis 400 Familien habe man so halten können. „Die Nachfrage war riesig, wir hätten die vierfache Menge an Geld bezahlen können”, sagt Gruber. Heute sei ein solches, kommunales Förderprogramm angesichts der Haushaltslage der Stadt undenkbar.

Nördliche Stadtteile mit dem beschaulichen Süden zu vergleichen – das hält Planungsdezernent Best ohnehin für falsch: „Sie dürfen Katernberg nicht mit Bredeney vergleichen. Sie müssen Katernberg mit anderen Arbeitervierteln vergleichen.”