In Altenessen lebt jedes zweite Kind von Hartz IV. "Kinderbericht 2008" zeigt Handlungsbedarf auf.
Markus Fuhrmeister
Essener Norden. Die Einwohnerzahl sinkt stetig, und soll dies nach Prognosen auch noch weiter tun. Aktuell zählt die Stadt Essen rund 580 000 Menschen (Stand: Ende 2008). Ihre Position als größte Stadt des Ruhrgebiets hat sie damit an Dortmund verloren. Die östliche Revier-Metropole zählt gut 587 000 Einwohner. Essen liegt in NRW an Stelle 4.
„Essen – Großstadt für Kinder” heißt das Projekt, mit dem wieder mehr Familien angelockt und gehalten werden sollen. Stadtweit gibt es 55 743 Haushalte, in denen Kinder leben. In 30 574 Fällen sind das Einzelkinder, 18 781 Eltern oder Alleinerziehende haben zwei Kinder und in lediglich 6388 Haushalten wachsen drei oder mehr Kinder auf.
Der Stadt fehlt es an Zuwachs. „Es sterben mehr Menschen, als dass neue Bürger nach Essen ziehen”, bringt es Stadtsprecher Detlef Feige auf den Punkt. Ein Großteil der Infrastruktur, zum Beispiel in den Bereichen Öffentlicher Personen-Nahverkehr und Sportstätten sei in den 60er und 70er Jahren gebaut worden, als die Stadt in Richtung einer Einwohnerzahl von 700 000 tendierte. Jetzt wird einerseits abgebaut, aber andererseits auch investiert, um die Stadt unter anderem durch neue Spiel- und Bolzplätze kinderfreundlicher zu machen.
Doch in der Realität kommt der „Kinderbericht 2008” unterdessen zu alarmierenden Ergebnissen. Stadtweit leben immer mehr Heranwachsende an oder sogar unter der Armutsgrenze. Rund ein Drittel der Essener Kinder erhalten demnach direkte oder indirekte so genannte „staatliche Transferleistungen”. In den meisten Fällen sei dies eine Bezuschussung durch Hartz IV. Eine Entwicklung, die laut Statistik besonders im Essener Norden abzulesen ist. 43,6 Prozent (Bezirk V) und 38 Prozent (Bezirk VI) aller Kinder leben dort von Transferleistungen. Den negativen Spitzenwert legt der Kinderbericht mit einer Quote von 50,8 Prozent für den Stadtteil Altenessen-Süd vor, während es in Karnap nur 34,8 Prozent sind.
Entgegen dem stadtweiten Trend ist die Einwohnerzahl im Stadtbezirk V unterdessen stabil geblieben. Dieser Bereich ist mit einem Kinderanteil von 14,5 Prozent an der Gesamtbevölkerung der zweit-kinderreichste in Essen, dicht hinter dem Nachbarbezirk VI, der mit 14,7 Prozent die Spitzenposition einnimmt. Schonnebeck (14,5 Prozent), Stoppenberg (14,5 Prozent) und Katernberg (15,6 Prozent) weisen dabei die „höchste Kinderdichte” der Stadt auf. Beide Bezirke verzeichnen mit rund 40 Prozent einen überdurchschnittlich hohen Anteil von Heranwachsenden mit Migrationshintergrund auf.
Innerhalb des Bezirks V ist beim Kinderanteil ein Nord-Süd-Gefälle erkennbar, denn im Stadtteil Altenessen-Nord ist die Zahl der Heranwachsenden sogar um 1,6 Prozent auf 14,8 Prozent gestiegen. Aus dieser Statistik ist aber für den „hohen Norden” der Stadt augenscheinlich auch ein Handlungsbedarf erkennbar, denn trotz zunehmender Kinderzahlen liegt dort die Versorgungsquote in der Offenen Ganztags-Betreuung weit hinter dem Durchschnitt. Während diese Quote stadtweit auf 28,3 Prozent gestiegen ist, können in Karnap lediglich 14 Prozent und in Altenessen-Nord 18 Prozent der Kinder auf das Angebot einer Nachmittags-Betreuung zurückgreifen.
Andererseits wird der Essener Norden als „Bildungsgewinner” bezeichnet. Der Anteil der Schüler, die nach der Grundschule auf ein Gymnasium wechseln, sind im Bezirk V um 4,7 Prozent angewachsen. Im Bezirk VI beträgt der Anstieg sogar 6,3 Prozent, die Zahl der Übergänger zur Hauptschule ist dort aber immer noch überdurchschnittlich hoch.