Altendorf .

Nicht perfekt, schon gar nicht glattgebügelt, aber durchaus ehrlich und liebenswert: Als Bunt-chaotisch e Leistungsshow ging die erste Kulturmesse Essener Norden in der Zeche Carl über die Bühne.

Herzstück des Abends waren Ausschnitte aus der „Ruhrpott-Revue“: Anlässlich der Kulturhauptstadt hat der Rentner Bodo Roßner dieses Mehrgenerationen-Projekt als ein Musterbeispiel für Soziokultur und ehrenamtliches Engagement abgeliefert. „Wir waren uns einig, dass wir das Projekt nicht mir der Kulturhauptstadt begraben wollen“, so Roßner. Im Gegenteil, schon Anfang 2011 sei die Idee entstanden, das kreative Potenzial, das im Essener Norden stecke, in Form einer Messe greifbar zu gestalten.

Innerhalb von nur sechs Wochen hat Roßner ein beeindruckendes Programm organisiert: 200 Akteure aus 60 Institutionen nutzten die Gelegenheit, sich zu präsentieren.

Und dementsprechend abwechslungsreich war das Endergebnis, das sich dann am Sonntag fünf Stunden lang auf zwei Bühnen, an diversen Ständen und zuweilen auch mitten in den Gängen abspielte. Während die Senioren der Ruhrpott-Revue in der Turnhalle forderten: „Grufties aller Klassen, vereinigt Euch!“, sangen die Stöpsel des Kindertheaters VKJ fröhliche Lieder. Die Gruppe „Dancing Fire“ präsentierte beste rheinländische Karnevalstradition in Form von schwingenden Beinen, parallel konnte man nebenan kurdisch-syrische Volkstänze erleben. Budu-Kämpfer hier, Bergmanns-Geschichten dort, Hip-Hop trifft Rock trifft orientalische Geigenklänge.

Gut, reibungslos gehen die Übergänge nicht vonstatten, hier und da stockt die Technik und auch die Auftritte selbst glänzen nicht durch zur Schau getragenen Perfektionismus. Aber es hat Charme, mit wie viel Herzblut die Amateurkünstler ans Werk gehen.

Doch neben all der Praxis wollte man auf der Messe dem Thema Stadtteilkultur auch auf theoretischer Ebene begegnen. So unterstrich das Kulturbeirats-Vorstandsmitglied Marcus Kalbitzer, in einem Impulsreferat die Wichtigkeit der freien Szene: „Auch in London leben die großen Opernhäuser und Theater nicht zuletzt davon, was daneben in den Cafés und Clubs geschieht“. Die freie Szene besitze nicht nur soziale, sondern auch ökonomische Relevanz, die sich allerdings nicht im Kulturetat der Stadt widerspiegele: Obwohl die freie Szene auf mehr Veranstaltungen und Besucher als die städtische Theater und Philharmonie komme, komme ihr weitaus weniger Unterstützung zu. Kalbitzer warnt: „Immer mehr Menschen, die sich mit Kultur befassen, kehren Essen den Rücken.“

Nicht so Ralf Vogel: Der Schriftsteller und Übersetzer ist stolz darauf, dass er trotz seiner Erfolge – so habe er bereits Nobelpreisträger ins Deutsche übertragen – in Altenessen geblieben ist und dort sogar erfolgreich das Buchhaus Altenessen etablieren konnte. Und so nutze Vogel den Messe-Workshop, dessen Ziel es eigentlich war, Möglichkeiten für ein Kulturbündnis im Bezirk zu erörtern, um die Werbetrommel für Projekte zu rühren, die er erfolgreich von dort aus lancierte.

Doch es sind die individuellen Interessen der Beteiligten, die einem solchen Bündnis im Wege stehen, wie die knapp zweistündige Diskussion unter der Leitung der Theaterpädagogin Erika Römer und des Jugendhilfeausschuss-Vorsitzenden Karlheinz Endruschat zeigt. So will Pfarrer Willi Overbeck die Kulturschaffenden im Stadtteil für kirchliche Veranstaltungen gewinnen, der ehemalige Stadtteilmitarbeiter Mehmet Bingöllü pocht auf integrative Ansätze. Während Endruschat, ganz Politiker, feste Strukturen und einen Verein ins Spiel bringt, reicht Erika Römer erst einmal ein Moderator, um die Interessen zu filtern. So bleibt am Ende nur die Vision einer „Zukunftswerkstatt“, die ein künftiges Netzwerk – wie auch immer – anstoßen soll. Dabei könnten sie schlicht Bodo Roßner fragen: Der hat nicht lang herumdiskutiert, sondern einfach gemacht, wie die Kulturmesse zeigt. „Fortsetzung folgt“, verspricht er lachend. Das geforderte Netzwerk: Es lebt bereits!