Beim VKJ-Projekt sind Teilnehmer aus allen Essener Stadtteilen willkommen.

Ilias Abawi

Essener Westen. „Die Klitschkos sind meine Vorbilder. Die haben echt Kraft in den Fäusten”, sagt Ozan Elis. 16 Jahre ist er jung und seit einigen Wochen einer der 50 Teilnehmer des Boxprojekts des Vereins für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten (VKJ). In einer Turnhalle hinter dem Jugendzentrum Stoppenberg an der Gelsenkirchener Straße 89a nehmen Jugendliche aus allen Stadtteilen an dem Boxtraining teil, darunter auch Ozan aus dem Essener Westen. Über den Sport lernen die jungen Leute Tugenden wie Disziplin, Fairness und Selbstbeherrschung.

Das Boxprojekt wurde zunächst speziell für die Stadtteile im Essener Norden entwickelt, um vor allem dort das interethnische Zusammenleben zu verbessern. Mehrfach war es unter anderem in Katernberg zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Jugendgangs unterschiedlicher Herkunft gekommen – teilweise mit schwer Verletzten.

„Über das Boxtraining lernen die Jugendlichen, in der Gruppe sportlich miteinander umzugehen. Zudem wird ihr Aggressionspotenzial dadurch kanalisiert, dass sie sich in der Halle und am Sandsack verausgaben können”, sagt Oliver Kern, VKJ-Geschäftsführer. Ausdrücklich sind dabei jedoch auch interessierte Jugendliche aus den anderen Essener Stadtteilen willkommen. Denn bei dem Boxprojekt geht es nicht nur um die Senkung der Aggressivität, sondern darüber hinaus auch um die Vermittlung von sportlichen Erfolgserlebnissen und die Entwicklung eines stärkeren Selbstbewusstseins und einer höheren Leistungsbereitschaft.

Leistungsbereit ist Ozan Elis in jedem Fall. Die Konzentration ist in seinen Augen bereits beim Warmlaufen und beim anschließenden Schattenboxen zu sehen. Ozans Blick ist auf den kasachischen Trainer Victor Ginkel gerichtet, der mit ruhiger aber bestimmter Stimme die Aktionen ansagt, die die Jugendlichen dann ausüben müssen. Ozan schlägt einen linken Jab, lässt eine rechte Gerade folgen. Dann wird die Sache schwieriger: Nach dem linken Jab und der rechten Geraden schickt der Kurde noch einen linken Haken hinterher. So wie Boxchampion Vitali Klitschko erst am Samstag bei seinem Weltmeisterschaftskampf gegen Juan Carlos Gomez.

Doch Klitschko ist nicht Ozans einziges Vorbild. Robert Tlatlik gehört auch zu seinen Idolen – und mit dem kann er bei dem Boxprojekt persönlich trainieren: Der 20-jährige Deutsche Meister im Amateurboxen aus Steele trainiert ebenfalls mit dem Boxnachwuchs. „Ich will auch mal Deutscher Meister werden”, sagt Ozan und arbeitet weiter an seiner Schlagtechnik.

Dass man mit Boxen auch hervorragende soziale Arbeit betreiben kann, zeigte in den 80ern in den USA ausgerechnet das Beispiel Mike Tyson. Den legendären Boxweltmeister, der auf den Straßen New Yorks aufwuchs, nahm damals der Weltmeistertrainer Cus D'Amato unter seine Fittiche. Tyson, der zuvor mehrfach straffällig geworden war, entwickelte sich durch das strenge Boxtraining zu einem Musterknaben – bis sein Mentor jedoch verstarb und Tyson wieder aus der Bahn geriet. Der Rest ist Geschichte und ein Beispiel dafür, wie wichtig Nachhaltigkeit bei dem Boxprojekt des VKJ ist: Es ist auf eine Dauer von vier Jahren angelegt und wird von der Alfred-Krupp- und Friedrich-Alfred-Krupp-Stiftung mit 160 000 Euro gefördert.

„Wir finden, dass dieses Boxprojekt eine sehr gute Sache ist, die wir gerne fördern”, sagt Sigrid Schönberger, Kuratoriumsmitglied bei der Stiftung, „solange sich die Jugendlichen in der Halle mit Sport befassen, hängen sie nicht auf der Straße herum.”