Katernberg. .
Der spitzzüngiger Sportjournalist Werner Schneyder adelte einst den Billardsport: „Das Spiel ist geeignet, mir den Glauben an die Intelligenz des Menschen zurückzugeben.“ Widersprechen will ihm in Reihen des BC „Cadre“ Katernberg niemand.
Der filigrane Umgang mit Queue und Kugel besitzt in Katernberg eine gewisse Tradition. Im Verein wird der Sport schon seit 60 Jahren betrieben. Genau genommen seit dem 18. Mai 1950, zu einer Zeit, als Billard noch in erster Linie in Kneipen gespielt wird. Deshalb verwundert es kaum, dass sich auch die Katernberger in einer Gaststätte treffen, um ein paar „Bälle“ zu machen“, wie die Kugeln im Fachjargon der Spieler heißen.
Wilfried Lindemann ist seit über 38 Jahren dabei, leitet seit 18 Jahren die Geschicke des Vereins, „doch wenn Sie mich fragen, wer den Klub gegründet hat, dann muss selbst ich passen.“ Zumindest lässt sich der Weg der Billardfreunde rekonstruieren. „Haus Schroer“ im Meybuschhof und die Kneipe „Zum Kater“ gehören ebenso zu den Stationen wie „Haus Kaldenkirchen“, bevor man schließlich in der „Zollverein-Klause“ an der Ückendorfer Straße landet.
Begonnen hat jedoch alles am Ottenkämperweg, im „Bürgerhaus“, mit dem Lindemann schöne Erinnerungen verbindet. „Ich hatte die Gastronomie im Jahr 1972 übernommen. So bin ich im reifen Alter von 29 Jahren zum Billard gekommen. Ein Spätberufener, wenn Sie so wollen.“
Von Beginn an üben sich die Katernberger im Carambolage. Im Gegensatz zum damals wie heute sehr populären „Pool“, bei dem die Bälle in sechs Löcher, den „Taschen“, versenkt werden, kommen die Carambolage-Spieler mit drei Kugeln aus. Der Spielball muss nacheinander die beiden anderen Kugeln touchieren. Gelingt dies, bekommt man einen Punkt. Hört sich unspektakulär an, ist es aber nicht. „Es macht wahnsinnigen Spaß, den Lauf der Bälle zu beherrschen“, sagt Dietmar Puffler. „Das ist ein echter Denksport, und du musst oft improvisieren.“ Poolbillard war hingegen nie sein Ding. „Das ist und bleibt für mich ein Kneipensport. Wenn ich schon sehe, wie oft da Biergläser auf den Banden stehen.“
Nicht ganz zu unrecht gilt das Karambol, wie es hierzulande genannt wird, als die feinere Variante des Billards. Um die Sache noch schwieriger zu gestalten, gibt es unterschiedliche Spielarten. Das „Cadre“ auf gegrenztem Raum, oder das „Dreiband“, dessen Regeln dazu zwingen, den Spielball vor dem letzten Ballkontakt mindestens drei Banden anlaufen zu lassen. Als echter Könner dieser erklärten Königsdisziplin gilt Winfried Menne, der trotz seiner 77 Lenze seinen Klubkameraden noch immer die Grenzen aufzeigt. In Duisburg, Velbert und Bochum hat er in der ersten Bundesliga gespielt, wurde in Gelsenkirchen bereits 1967 Deutscher Meister mit der Mannschaft.
Das Spiel will Menne, der sich in seiner Jugend für das Billard und gegen den Fußball entschied, auch im hohen Alter nicht missen. Selbst wenn er in der ersten Mannschaft des Bezirksligisten BC Cadre Katernberg als eher unterfordert gilt. „Ich stand mit 13 Jahren zum ersten Mal am Tisch. Mein Vorteil war schon immer meine ruhige Hand“, sagt Winfried Menne. „Da wackelt nichts, auch wenn es um Punkte geht.“
Dementsprechend hoch sind seine eigenen Ansprüche, aber auch die an die Klubkameraden. Deshalb ärgert es ihn schon, wenn beispielsweise Erwin Höfel sein Potenzial nicht richtig ausspielt. Höfel steht just in diesem Moment am Tisch. In der ersten Aufnahme macht er 28 Punkte. Zehn Aufnahmen später hat er nur zwölf Zähler mehr auf dem Konto. Menne: „Das kann der Erwin besser.“
Auch bei Herbert Wilke wollen die Bälle heute nicht so laufen, wie sie sollen. Wilke ist seit 39 Jahren im Klub – so lange wie kein anderer. Man gewinnt den Eindruck, Billard sei eher ein Seniorensport. „Nachwuchs zu finden ist gar nicht einfach“, wie Geschäftsführerin Hildegard Glitz -- die gute Seele des Vereins -- zugibt. „Das ist wie bei den Schützenvereinen.“ Der jüngste Spieler, Claas Schwarz, ist schon Mitte Zwanzig. Dahinter klafft eine Lücke. „Dennoch ist bei uns immer etwas los“, wie Hildegard Glitz sagt. 35 aktive Spieler in sieben Mannschaften hat der BC Katernberg gemeldet; ist damit zweitgrößter Klub im Kreisverband Essen. Sogar eine Dame ist dabei. Die heißt Nikolina Sekulic und fordert gerne mal ihren Lebensgefährten Claas heraus. „Aber gewinnen kann ich nur, wenn er einen schlechten Tag hat; und ich einen sehr guten. Leider.“