Stoppenberg. .
„Als ich oben war, fühlte ich mich sicherer und hatte das Gefühl, näher bei Gott zu sein.“ So lautet ein Zitat aus dem „Gipfelbuch“ der Kirche Heilige Familie in Bochum. In den Genuss ähnlicher Empfindungen kommen nun auch die Besucher der St. Nikolauskirche. Das „Projekt „Zwischen Himmel und Erde“ macht’s möglich.
„Zwischen Himmel und Erde“ - hinter diesem abenteuerträchtigen Motto verbirgt sich ein mobiler Klettergarten, den die katholische Kinder- und Jugendarbeit im Bistum Essen in der Stoppenberger Kirche aufgestellt hat. Zehn Meter hoch, neun Meter lang und sechs Meter breit ist das solide Stahlgerüst; bestückt mit Kletternetz, Hänge- und Seilbrücke sowie Stelzenweg.
Fast ist man in Angst, das altehrwürdige Gemäuer, die einzige Jugendstilkirche im Ruhrgebiet, könne beim Gerüstaufbau Schaden genommen haben, doch dererlei Ängste zerstreut Stadtjugendseelsorger Pawel Klos bereits bei der Begrüßung: Die Konstruktion ist so stabil, dass sie nicht einmal im Boden verankert werden muss. Eine Meisterleistung der Ingenieure.“ Dennoch: Ein wenig fremd wirkt der Klettergarten schon, so dicht hinter der letzten Kirchenbank postiert. Doch dies - so die Hoffnung der Initiatoren - soll sich bald ändern. „Es geht uns um Spaß an der Bewegung, aber besonders um die spirituelle Erfahrung des Einzelnen“, erklärt Stephan Hill. Als Jugendreferent des Bistums hat er das Projekt seit Beginn des Jahres begleitet. „Mut, Halt finden, Sicherheit, getragen werden von anderen und sich auf andere verlassen. Dies sind die Erfahrungen, die wir vermitteln wollen und auch schon vermittelt haben“, sagt Pater Pawel Klos. Wer sich mit eigener Muskelkraft in schwindelnde Höhe begibt, der ist nicht allein, sondern darf sich, wenn die Kräfte schwinden, einfach mal fallen und auffangen lassen. „Dies ist nicht selten eine Grenzerfahrung, denn es setzt Vertrauen voraus“, sagt Pater Klos.
Manch einem mag dies suspekt erscheinen. Kritik gibt es oft von Senioren. Doch die nutzt Stephan Hill, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, ihnen das Anliegen der Kirche zu erklären. Nicht wenige kommen nach kurzer Diskussion zu dem Schluss: „Okay, das ist ein Angebot für die Jugend. Und die ist die Zukunft unserer Kirche.“
In der Tat sind in erster Linie Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren aufgefordert, sich zu beweisen. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel. „In Bochum besuchte uns ein 70-jähriger, ehemaliger Kletterer“, weiß Stephan Hill. „Erst kraxelte der Enkel, dann der Opa. Das war toll.“ Letztendlich sind alle aufgefordert: Mutige wie Zauderer, Gläubige wie Zweifler, jung wie alt.
Bislang nutzte man diese besondere Form kirchlicher Annäherung reichlich: 1000 Besucher in Bochum, 1500 Kletterer in Oberhausen und 1300 in Gelsenkirchen. Und am Ende bringen viele ihre Gefühle zu Papier - im besagten Gipfelbuch. Das Gipfelkreuz indes erreichte die St. Nikolauskirche aus der bislang letzten Station in Duisburg bereits am Sonntag zum Eröffnungsgottesdienst.
Natürlich möchte auch ich es wagen, will mit meinen 47 Lenzen tapfer die Lücke zwischen den Generation schließen. Sebastian Ruwe, Jugendreferent der Jugendkirche Laudate, leiht mir seinen Hosengurt, weil der erste bei 100 Kilogramm Gewicht an seine Grenzen stößt. „Keine Angst“, beruhigt mich Sebastian, „verlasse dich ganz auf mich.“
Ich wähle das Kletternetz, ähnlich der Takelage eines Segelschiffs, zum Aufstieg. Meter für Meter arbeite ich mich nach oben, doch ändert sich, nun, wo ich die Wandmalerei mit dem Heiland darauf aus nächster Nähe betrachten kann, auch meine Sichtweise zu Glauben und Religion? Noch dazu, da meine Probleme im Moment eher irdischer Natur sind, denn auf sieben Meter Höhe werden die Arme schwer und die Beine fangen langsam an zu zittern. Sebastian lobt aus der Tiefe: „Das ging ja doch sehr gut. Aber nun lasse dich einfach fallen.“ Das kostet - zugegebenermaßen - mehr Überwindung als der Aufstieg. Doch schnell erweist sich Sebastians Hinweis, die Umlenkrolle des Seilzugs reduziere mein Körpergewicht um die Hälfte, als verlässlich. Sanft wie eine Feder sinke ich zu Boden.
Wieder festen Boden unter den Füßen, erklärt mir Stephan Hill die anderen Hindernisse. „Die Hängebrücke erfordert Geschick und Balance. Es gibt weitere und kürzere Abstände zwischen den Trittbrettern. Das Vorangehen ist mal leichter, mal schwieriger. Wie im richtigen Leben.“
Meine Erfahrung? Ich werde den Aufstieg auf jeden Fall noch einmal probieren, um auch die letzten drei Meter des Klettergartens zu bezwingen. „Dann haben wir unser erstes Ziel schon erreicht“, freut sich Sebastian Ruwe.