essen-Altenessen. . Die Haartolle verrät seine musikalische Leidenschaft: Marc Künssberg ist Rockabilly-Fan. Und das endet bei ihm bei weitem nicht bei der Frisur.
Marc Künssberg beugt seinen kräftigen Oberkörper zum Mikro und holt tief Luft. „Hallo, hier ist DJ Steiger. Willkommen bei Big Daddy o Radio. Willkommen in meiner Show!“ In diesem Moment ist der 46-Jährige weltweit zu hören. Der gebürtige Frintroper sendet aus einem nur ein paar Quadratmeter großen Hinterzimmer seiner neuen Wohnung per world-wide-web. Und der Rechner steht gleich neben seinem Bett.
„Ein untätowierter Seemann geht gar nicht“
Die Haartolle ist ein unübersehbarer Hinweis für den Stil. „Vorwiegend Rockabilly, aber auch Rock“, sagt der Mann, der mit vollem Namen Marc Freiherr von Künssberg heißt. Und er schiebt die Ärmel seines dunkelblauen Pullovers nach oben. Zum Vorschein kommen große Tätowierungen. Sie müssen schon etwas älter sein, denn die Kraft der dunkelblauen Farbe hat schon gelitten. „Ein untätowierter Seemann geht gar nicht“, beantwortet er die nicht gestellte Frage. Die Bilder auf seinen starken Unterarmen stammen aus der Zeit, als er bei der Marine auf einer Fregatte fuhr, die ihn auch in Kriegsgebiete nach Afrika führte. Das ist lange her.
Noch länger ist es her, dass er mit Rockabilly in Kontakt kam. „Meine Mutter hat gerne Elvis gehört“, erzählt der gelernte Oldtimer-Restaurator, der 2008 seinen Traumberuf aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste. Zurzeit bezieht er Hartz-IV.
Rockabilly ist pure Lebensfreude
Rockabilly das sei für ihn nicht einfach Musik, sondern pure Lebensfreude. Petticoat inklusive. Die Musik erzählt Geschichten, nicht so wie die moderne Musik heute. „Vor 15 Jahren habe ich damit begonnen, Kontrabass zu lernen, spielte auch in wechselnden Formation. Wir sind 2006 sogar durch Italien und die Schweiz getingelt. Doch irgendwann ist das wieder eingeschlafen.“
Sein eigenes Ding: Big Daddy o Radio
Dafür kam vor fünf Jahren das Internet-Radio dazu. Marc Künssberg machte bei einem Internetsender in England mit, als dessen Betreiber erkrankte. Der Frintroper bot an, einzuspringen und das Radio aus Essen zu betreiben. Irgendwann wollten es die Engländer wieder selbst machen. Marc Künssberg macht seitdem sein eigenes Ding: Big Daddy o Radio. Dazu gehört viel Idealismus („Mir war von vornherein klar, dass ich keinen Cadillac fahren werde“). Finanziert wird der Betrieb über Werbung. Nicht selten muss der 46-Jährige aber Geld aus der eigenen Tasche zuschießen.
3500 Menschen hören pro Monat seine Sendung
„In den Rankings von Streaming-Firmen liegen wir immerhin hinter einem englischen Internet-Radio auf Platz zwei“, betont Marc Künssberg. Wir, das sind der 46-Jährige und vier Mitstreiterinnen und Mitstreiter. So 3500 Hörer haben sie im Monat. Weltweit. Einer nahm sogar aus Bogotá Kontakt auf. Kolumbien und Rockabilly? Eine wahrlich nicht alltägliche Kombination.
„Viele DJs nehmen nur Material von solchen Samplern“
Musik aufzunehmen, auf „Play“ zu drücken und nach einer Stunde „Stopp“ zu betätigen, ist nicht die Sache von Künnsberg. „Viele DJs nehmen nur Material von solchen Samplern. Ich möchte aber, dass die Zuhörer ein Aha-Erlebnis haben, auch mal überrascht werden“, sagt er. So wie damals, als er mal in Las Vegas auflegte und die Amerikaner zu ihm kamen und nach den Interpreten „ihrer“ Musik fragten. Und deshalb stellt er seine Sendung stets unter ein Thema, sucht dafür Musik aus der Rockabilly-Zeit und moderiert die Sendung „live“. Außerdem wolle er hier und da zu den Songs etwas erzählen.
Sein Traum ist aber ein anderer. „Es wäre toll, ein eigenes Studio zu haben, in denen Bands spielen und wir das übers Internet verbreiten.“
Dafür und für einen „richtigen“ Radiosender bräuchte es einen Sponsor, das weiß auch Marc Künssberg. Doch träumen muss ja auch erlaubt sein.
Den Bassisten von Elvis kennengelernt
„Die Rockabilly-Welle schwappt in Deutschland wieder hoch“, ist der Neu-Altenessener sicher. Andere Länder, das muss er allerdings neidlos anerkennen, sind da weiter. Italien zum Beispiel. Und deswegen macht er sich an Silvester nicht zum ersten Mal Richtung Süden auf, wo in der Nähe von Ancona das neue Jahr mit einem fünftägigen Rockabilly-Festival begrüßt wird. Die Stray Cats und Jerry Lee Lewis hätten dort schon gespielt. Und den Bassisten von Elvis habe er dort auch kennengelernt.
Für Marc Künssberg fühlt sich das an wie Schlaraffenland.