Verband alleinerziehender Mütter und Väter hilft Familien im Krankheitsfall. In Haarzopf entlastet Astrid Trettin die Drillingsmutter Stephanie Reineke. 30 "Notmütter" in der Kartei. Weitere werden gesucht
Haarzopf. Ein entspannter Start in den Tag sah anders aus: Wenn Christopher (jetzt 6) sich vor einem Jahr für den Kindergarten bereit machte, hielt es auch Emily, Finn und Lara (inzwischen 2) nicht mehr in den Betten. Die im August 2005 geborenen Drillinge halten Mutter Stephanie Reineke (36) ganz schön auf Trab. Heute kann sie über den Trubel in ihrem Haus am Sonnenscheinsweg schmunzeln. Doch es gab auch andere Zeiten. Stephanie Reineke war mit der Situation morgens völlig überfordert, erlitt einen Zusammenbruch. Über das Jugendamt bekam sie Kontakt zum Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) - was die Situation deutlich entspannte. Seit Dezember 2006 hilft "Notmutter" Astrid Trettin (50) von 8 bis 11 Uhr beim Fertigmachen der Kinder und entlastet Stephanie Reineke damit sehr.
"Ich war damals einfach körperlich und psychisch am Ende", erinnert sich Stephanie Reineke, die selbst ausgebildete Erzieherin ist. "Die Drillinge sind ein großes Glück und ich bin täglich dankbar, dass wir vier gesunde Kinder haben. Aber die Kleinen bedeuten auch Probleme auf sechs Beinen", weiß die Mehrlingsmutter. Alleinerziehend im engeren Sinn ist sie nicht, aber ihr Mann geht den ganzen Tag arbeiten, so dass sie den Alltag mit den Kindern weitgehend allein bewältigen muss. Dabei steht ihr jetzt Astrid Trettin zur Seite. "Es war einfach nicht zu schaffen, die drei Kleinen gleichzeitig fertigzumachen", blickt Stephanie Reineke zurück.
Das sahen Vertreter des Jugendamtes, die die Familie in Haarzopf besuchten, ähnlich. Astrid Trettin, selbst Mutter zweier Kinder im Alter von 14 und 16 Jahren und gerade dabei, sich eine Existenz als Entspannungspädagogin aufzubauen, hilft beim Waschen, Zähneputzen und Anziehen der Drillinge und geht anschließend meist noch mit ihnen spazieren. Bis die drei Energiebündel in den Kindergarten kommen, soll das auf jeden Fall so bleiben. Die "Notmutter", die nachmittags noch eine weitere Familie unterstützt, ist auch für kurzfristige Notfälle einsetzbar. Sie war auf der Suche nach einem zweiten finanziellen Standbein und hat heute viel Spaß an ihrer Aufgabe, die allerdings eine gehörige Portion Flexibilität erfordert.
"Notmütter oder -väter müssen sich sehr schnell und unkompliziert, ohne Eingewöhnungsphase, auf die neue Situation einstellen, wenn zum Beispiel die Mutter kurzfristig ins Krankenhaus muss", erläutert Katharina Porydzaj, beim VAMV für die Koordination der Einsätze zuständig. Eine "Notmutter" wird entweder vom Jugendamt oder den Krankenkassen bewilligt oder aber von den Familien privat bezahlt. "Die Frauen stellen dem VAMV ihre Arbeitsstunden in Rechnung. Wir bekommen das Geld dann von den jeweiligen Institutionen erstattet", sagt Katharina Porydzaj. Je nach Einkommen müssten die Familien etwas zuzahlen.
In ihrer Kartei gibt es rund 30 "Notmütter" zwischen 22 und 55 Jahren, die bei Bedarf in Essen und Mülheim eingesetzt werden. "Da sind auch Frauen dabei, die selbst keine Kinder haben, denen der Umgang mit Kindern aber Spaß macht. Auch viele Studentinnen aus dem pädagogischen Bereich sammeln so erste praktische Erfahrungen", sagt die 35-jährige hauptamtliche VAMV-Mitarbeiterin. Sie gibt sich Mühe, die richtige "Notmutter" für die jeweilige Familie herauszufinden: "Wir schauen, was vom Anforderungsprofil her passt. Aber natürlich muss die Chemie stimmen."
In Huttrop beispielsweise betreue eine "Notmutter" eine hochschwangere Frau, die bereits eine Tochter habe und viel liegen müsse. Auch tragische Fälle kommen vor, wie der einer krebskranken Mutter, die dann gestorben sei. Nach dem Tod der Frau habe die "Notmutter" erst einmal die Betreuung der Kinder weiter übernommen. Katharina Porydzaj: "Solche Fälle sind zum Glück die Ausnahme." Die Dauer der Einsätze schwanke zwischen wenigen Tagen und mehreren Monaten. Auch Einsätze in Kindertagesstätten seien möglich, wenn eine Erzieherin kurzfristig ausfalle.
Der VAMV sucht noch Frauen und Männer, die als "Notmütter" oder "Notväter" arbeiten möchten. Die Zeiteinteilung ist individuell, die "Notmütter" können sich aussuchen, wann und für wieviele Stunden sie zur Verfügung stehen. Katharina Porydzaj: "Der Bedarf wächst ständig." Das liege unter anderem daran, dass häufig keine Großeltern mehr da oder in der Nähe seien, die die Mutter im Krankheitsfall ersetzen könnten.
Für Drillingsmutter Stephanie Reineke jedenfalls ist es eine große Erleichterung, dass sie mit "Notmutter" Astrid Trettin gemeinsam einkaufen oder in Ruhe mit einem Kind zum Arzt gehen kann, weil sie die anderen versorgt weiß. "Ich finde das so toll, dass ich selbst gern stundenweise als ,Notmutter' arbeiten möchte, wenn die Drillinge später im Kindergarten sind", ist sich die Haarzopferin sicher.