Altenessen. . 2017 muss die Pfarrei St. Johann Baptist dem Bistum einen rigorosen Sparplan vorlegen. Die Gemeindemitglieder diskutieren, wo eingespart werden kann.
Für die Katholiken in Altenessen hat am vergangenen Advents-Sonntag der Weg in die Zukunft begonnen. Rund 200 Besucher, und damit rund doppelt so viele wie erwartet, kamen zur ersten Pfarreikonferenz der Gemeinde St. Johann Baptist, die auf neutralem Boden im evangelischen Walter-Wolff-Gemeindehaus stattgefunden hat. Denn auf dem Weg zur Gemeinde 2030 wird es auch herbe Verluste geben müssen. Bis Ende 2017 werden die Altenessener einen Plan dem Bistum vorlegen müssen, in dem sie mehr als die Hälfte der aktuellen Kosten einsparen.
„Ich bin hier, weil ich in der Gemeinde seit frühester Jugend aktiv bin und meinen Kindern auch weiterhin Kirche erlebbar machen will“, erläutert Tobias Urban (32). Seit geraumer Zeit ist er bereits ehrenamtlich aktiv im Pfarrentwicklungsprozess und hat sich als Teilnehmer an einer von fünf Arbeitsgruppen detailliert um eine Bestandsaufnahme der Gemeinde bemüht. An diesem Sonntag, der als Auftakt für den wohl tiefgreifendsten Veränderungsprozess in der Geschichte der Altenessener Katholiken eingehen wird, präsentieren er und seine Mitstreiter Ergebnisse. „Würden wir nichts ändern, hätte das die Insolvenz zur Folge“, resümiert der dreifache Vater.
Gemeinden verlieren Gläubige
Die Zahlen sind nicht undramatisch. Hatte die Gemeinde im Jahr 1990 noch 20 000 Mitglieder, waren es 2015 nur noch knapp 14 000. Alle fünf Jahre, so rechnet das Bistum, verlieren die Gemeinden rund sieben Prozent ihrer Gläubigen. In Altenessen blieben 2030 noch rund 11 000. Neugeborene können den Trend nicht drehen, eher im Gegenteil: Wie auch die Gesellschaft, so altern die Katholiken zusehends und die Sterberate liegt schon jetzt über der der Geburten. Auch die Priester werden immer weniger. Die Gemeinde St. Johann Baptist hat im Moment und mindestens noch bis zum Abschluss des Prozesses überhaupt keinen eigenen, sondern nur einen Pfarradministrator, also einen Vertreter. Nach dem Wechsel von Arno Sassen betreut St. Nikolaus-Pfarrer Norbert Linden die Altenessener mit. Am Sonntag hatte er seinen ersten Arbeitstag.
Vier Kirchen, vier Gemeindeheime und ein Jugendzentrum
An Gebäuden hingegen muss man vier Kirchen (St. Johann Baptist mit Filialkirche Herz Mariä sowie St. Hedwig mit FilialkircheHerz Jesu) mit vier Gemeindeheimen und ein Jugendzentrum (St. Johann Baptist) unterhalten. Hinzu kommen zwei Pfarrbüros und diverse Mietobjekte. „Auch für die Unterhaltung der Gebäude gibt es noch nicht ausreichend Rückstellungen“, berichtet Rainer Strehle, Teamkoordinator für die Essener Pfarreien im Bistum.
„Zunächst wollen wir die Bedarfe für die Seelsorge benennen“
Doch ums Geld, und das wird an diesem Tag immer wieder betont, solle es jetzt noch nicht gehen. „Zunächst wollen wir die Bedarfe für die Seelsorge benennen und ein Konzept erstellen. Das müssen wir mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten zusammen bringen“, will Oliver Scholten, Jugendreferent im Bistum und Betreuer im Zukunftsprozess, keine Standort-Diskussion lostreten. Deshalb wählte man als neutralen Ort auch die Räumlichkeiten im evangelischen Walter-Wolff-Gemeindehaus.
Natürlich wird die Diskussion hinter vorgehaltener Hand geführt, die Befürchtungen und auch Ängste sind in der Gemeinde präsent. Tobias Urban erläutert: „Fast jeder mit dem ich vorher gesprochen habe, hat Verlustängste. Jeder weiß, worum es geht.“ Gerade die Zweiteilung in Altenessen, St. Johann im Norden und St. Hedwig im Süden, birgt womöglich viel Zündstoff.
Es ist noch nichts entschieden
Auch deshalb unterstreichen alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter aus Bistum und Gemeinde: Es ist noch nichts entschieden. Und wenn Ende 2017 ein praktikables Konzept auf dem Tisch liegt, das aus der Gemeinde kommt, wird der Bischof seine Zustimmung nicht verweigern.
Erinnerungen an die Schließeung von St. Ewaldi werden wach
Frisch sind noch die Erinnerungen an die Schließung der Kirche St. Ewaldi an der Stapenhorststraße, in der 2008 die letzte Messe gefeiert und die dann schließlich 2012 abgerissen wurde. Rund 80 Prozent der dortigen Christen, so schätzen Besucher, seien damals verloren gegangen. „Einer davon war mein Vater. Und ich habe selbst vom Küchenfenster aus beim Abriss zuschauen dürfen“, sagt Karsten Strauer, der dabei geblieben ist und heute Mitglied im Pfarrgemeinderat, im Kirchenvorstand und der Vorsitzende der Ehrengarde St. Johann ist: „Vieles ist damals von oben gekommen, obwohl die Gemeinde selbst ein Votum erarbeitet hatte. Entscheidet man sich jetzt wieder dagegen, ist es für mich hier erledigt.“