Essen-Borbeck. . Weidkamp/Ecke Grasstraße in Borbeck. Nichts auf der verwilderten Fläche weist auf den historischen Ort hin. Nun tut dies ein Schild: „Panzerbau 3“.
Autos fahren im Feierabendverkehr den Weidkamp in Richtung A 42. Die Wildnis auf der rechten Seite, die an der Grasstraße beginnt, würdigen sie keines Blickes. Warum auch? Nur Bäume, Farne und Brombeeren. Nur wenige wissen aber, dass es ein geschichtsträchtiger Ort ist. Das soll sich ändern.
Das schlichte, graue Schild mit schwarzer Schrift, für das ein paar Quadratmeter Brombeersträucher gerodet und der Boden mit Kieselsteinen bedeckt wurde, weist auf den „Panzerbau 3“ hin. Der Borbecker Bürger- und Verkehrsverein (BBVV) und der Kulturhistorische Verein Borbeck (KHV) waren federführend bei der Initiative. „Wir dürfen diesen Teil der Geschichte nicht vergessen“, sagt BBVV-Vorsitzende Susanne Asche. Ein Mann hat sich bei diesem Unterfangen besonders ins Zeug gelegt: Franz Josef Gründges. Der ehemalige Geschichtslehrer und heutige BBVV-Geschäftsführer hat zu „Panzerbau 3“ eine persönliche Beziehung. Mit zwölf Jahren kam der heute 72-Jährige nach Borbeck. Das Produktionsgelände, auf dem Krupp Türme und Wannen für Panzer („Tiger VI“, „Tiger IV“) herstellte, ist der Abenteuerspielplatz seiner Kindheit. „Und in der Grasstraße habe ich meinen ersten Kuss bekommen“, verrät er schmunzelnd. Die Beschäftigung mit der Anlage endet für ihn aber nicht mit dem Teenageralter. Gründges recherchiert, schreibt über „Panzerbau 3“. Später, als Lehrer am Gymnasium, geht er mit seinen Schülern dorthin. Praktischer Geschichtsunterricht. Schon die nackten Zahlen lassen die Größe der Anlage erahnen. Maximale Länge: 210 Meter. Maximale Breite: 192 Meter. Unterirdische Anlagen von 6000 Quadratmetern Fläche und 40 000 Kubikmetern Raum.
Im Oktober 1942 arbeiteten 144 Menschen auf „Panzerbau 3“. Der Spitzenwert wird 1943 (1518 Beschäftigte) erreicht. „Es waren deutsche Arbeitskräfte, Westarbeiter und Ostarbeiter, ab Ende 1943 auch Strafgefangene“, berichtet Gründges. Bis kurz vor Kriegsende sei dort produziert worden. Nach Kriegsende habe es nicht gleich eine förmliche Demontage gegeben, erst 1959 begann man mit dem Abbau der oberirdischen Gebäude. Die unterirdischen Anlagen wurden geflutet. Es entstand ein kleines Biotop, das als Kulisse für einen Stahlnetz-Krimi (1960) diente und 1963 zum Tatort des bis heute ungeklärten Mordes an der siebenjährigen Christine wurde.
Ende der 1970er-Jahre stemmt sich eine Bürgerinitiative gegen ein großes Gewerbegebiet. 1980 kauft die Stadt das Gelände für 4 Millionen Mark von Krupp. Nach erneuten Protesten wird nur ein schmaler Streifen an der Grasstraße mit Gewerbe gebaut. Den Rest holt sich die Natur zurück.
Dass er bei seinen Recherchen keine Fotos von früher auftreiben konnte, ärgert Gründges, wundert ihn aber nicht. Im Krieg habe man nicht aufs Gelände gedurft, nach Kriegsende hätten die Menschen anderes zu tun gehabt. Die Tafel soll das Vergessen verhindern. „Es ist keine Gedenktafel. Wir wollen auch nicht anklagen, wir wollen erinnern“, sagt Gründges.