Essen-Frohnhausen. . Die Verkehrshistorische Arbeitsgemeinschaft macht alte Straßenbahnen fit für Sonderfahrten. Martin Ruhnau kam über das Hobby zum Job bei der Evag.
Wenn Martin Ruhnau Feierabend hat, zieht es ihn nicht immer gleich nach Hause. Ruhnau ist Informationstechniker bei der Essener Verkehrs-AG. Ein-, zweimal die Woche legt er im Evag-Betriebshof an der Schweriner Straße eine vierstündige Zusatzschicht ein. Der 44-Jährige ist Mitglied der 1988 gegründeten Verkehrshistorischen Arbeitsgemeinschaft (VHAG) der Evag. Er ist für die Fahrzeugtechnik zuständig und kümmert sich mit weiteren Ehrenamtlichen um Erhalt und Restaurierung von alten Triebwagen.
„Wir machen die historischen Wagen nicht schön fürs Museum, sondern für die Straße“, betont Ruhnau. Es gehe nicht nur darum, die alten Schätzchen im Auftrag der Evag zu erhalten und so die Geschichte der Straßenbahnen in Essen zu dokumentieren. „Viele Menschen verbinden Erinnerungen mit den Bahnen, sind damit zur Schule oder zur Arbeit gefahren. Oft reagieren die Leute emotional, wenn sie die Oldtimer sehen. Wenn wir Sonderfahrten anbieten, steigen sie ein, auch wenn gleichzeitig moderne Wagen auf der Strecke unterwegs sind. Und das sind keineswegs alles Straßenbahnfreaks“, sagt Ruhnau. Dass er seinem Hobby auf dem Gelände seines Arbeitgebers nachgehen könne, sei doch eher praktisch, findet er.
Schon als Kind war der Essener von Straßenbahnen fasziniert. „Ich bin letztlich über mein Hobby zum Job gekommen“, sagt er. Seit 1992 ist er Mitglied in der VHAG, kam über den Verein schließlich zur Ausbildung als Elektromechaniker und -techniker. „Da bin ich teils auch selbst Straßenbahnen gefahren“, blickt er zurück. Das kommt ihm jetzt zugute, wenn er sich nach Feierabend den „Oldies“ widmet. Die Mitglieder der VHAG dürfen die normale Evag-Werkstatt an der A 40 in Frohnhausen nutzen. Doch oft gehe ein Großteil der Zeit mit Rangieren drauf, denn erst müssten die neuen Bahnen aus der Halle und die alten hinein gefahren werden – später das Ganze wieder umgekehrt. Das sei schon ein ziemlicher logistischer Aufwand, aber unvermeidlich, wenn man von unten an die Bahnen müsse, berichtet Ruhnau. Einiges lasse sich aber auch draußen erledigen: reinigen, pflegen oder abgerissene Halteschlaufen reparieren.
Insgesamt kümmern sich die Ehrenamtlichen um sechs alte Straßenbahnwagen aus den Jahren 1921 bis 1962. Komplett restauriert haben Martin Ruhnau und seine Kollegen bereits einen elfenbeinfarbenen Anhänger von 1957. Viereinhalb Jahre brauchten sie dazu. „Wenn Farbe oder ähnliches nötig ist, wird das in der Regel aus dem Vereinsvermögen der VHAG bezahlt“, sagt Ruhnau. Für die technische Wartung sei die Evag zuständig. Die alten Schätzchen müssten natürlich zum TÜV, denn sie sollen ja auf der Straße eingesetzt werden und bei besonderen Ereignissen Fahrgäste transportieren. Ruhnau: „Wir blicken auf 27 Jahre vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Evag zurück.“
Nächstes Projekt der VHAG ist die Instandsetzung eines Wagens von 1951, der 1977 außer Dienst gestellt wurde. Und daran ist viel zu tun. „Als wir die Regenrinne abgenommen haben, kam der Rost zum Vorschein“, zeigt Ruhnau auf den alten Wagen und das Gerümpel im Inneren. Zum Glück seien noch fast alle Teile vorhanden und könnten aufgearbeitet werden. Der komplette Neuaufbau soll erstmals in Kooperation mit der Ausbildungswerkstatt der Evag erfolgen. „Zum 70-Jährigen des Wagens 2021 soll er zu Sonderfahrten eingesetzt werden“, sagt Ruhnau, der auch alte Autos mag und einen Opel Kadett aus den 50ern fährt.
Die Verkehrshistorische Arbeitsgemeinschaft hat über 200 Mitglieder, aber nur eine kleine Gruppe von sechs, sieben Leuten trifft sich regelmäßig zum Reparieren und Polieren der Fahrzeuge. Seit dem Kulturhauptstadtjahr 2010 fahren von März bis Oktober an jedem ersten Samstag im Monat historische Bahnen auf einer kombinierten Linie aus 105 und 107 bis Zollverein. Man kann die alten Bahnen für 16 bis 50 Personen auch für Geburtstage, Firmenfeiern oder Stadtrundfahrten über den Veranstalter Tour de Ruhr ( 826-2626) für mindestens drei Stunden mieten.
Die VHAG-Mitglieder fahren die Bahnen ehrenamtlich. Neue Mitglieder – zahlende und helfende – kann die Verkehrshistorische Arbeitsgemeinschaft immer gebrauchen. „Besonders handwerklich begabte Helfer wie Schlosser, Schreiner oder Elektriker können wir gut gebrauchen“, hofft Martin Ruhnau auf Unterstützung.