Essen- Nordviertel. . ÜBer die Entwicklung des Eltingviertels gibt es völlig unterschiedliche Ansichten. Die einen erhoffen sich einen Aufschwung, andere sehen Leerstände.

Das Eltingviertel blüht auf – und Nicole Jerschabek strahlt über das ganze Gesicht: Mit den frischen Geranien ist ihr neuer Balkon endgültig zur kleinen Oase geworden. Geschenkt wurden ihr die Blumen von „Vonovia“, ihrer Vermieterin. In den letzten Tagen ließ sie 750 Geranien an die Mieter im renovierten Teil des „Victoriahofs“ verteilen. Vor den strahlend weißen Fassaden mit den anthrazitfarbenen Balkonen kommen die bunten Pflanzen bestens zur Geltung.

Darum bemüht sich auch die Wohnungsgesellschaft. Seit vergangenem Jahr ist die ehemalige „Deutsche Annington“ Teil des Projekts „Innovation City“, das sich die umweltfreundliche Sanierung des Eltingviertels vorgenommen hat. Inzwischen sind die ersten Wohnblöcke an das Fernwärmenetz angeschlossen, so dass die alten Nachtspeicherheizungen der Vergangenheit angehören.

In einer Musterwohnung zeigen Ralf Feuersenger und sein Team aus dem Mieterbüro an der Altenessener Straße 50 gerne, was aus einer 60-Quadratmeter-Altbauwohnung werden kann. So sind die neuen Badezimmer mit einer ebenerdigen, begehbaren Dusche ausgestattet, und es kann – nicht muss – eine Einbauküche gemietet werden, je nach Ausstattung für 33 bis knapp 50 Euro pro Monat. Parkettboden und passende Bodenfliesen runden das Bild ab.

Karl und Renate Kuck wohnen direkt gegenüber der Musterwohnung. „Sie ist wunderschön“, sagt der 84-Jährige Knappschaftsrenter, und trotzdem schwingt Skepsis mit. „Wir zahlen für unsere Wohnung 455 Euro, das ist für uns ein erträglicher Betrag, aber ob die höhere Miete auch andere Leute bezahlen können?“

Vonovia und die Stadt Essen haben diese Frage aus ihrer Sicht für die nächsten drei Jahre beantwortet und eine Vereinbarung geschlossen. Damit auch Bezieher niedriger Einkommen eine Chance auf die Wohnungen haben, wird nur die Gesamtmiete, also inklusive Nebenkosten, betrachtet. Durch die billigere Fernwärme soll sie nur um 30 Cent/Quadratmeter steigen.

Doch das ist noch Zukunftsmusik, denn die Renovierungen gehen gerade erst ihrem Ende entgegen. Schon jetzt sind nahezu alle Hauseingänge barrierefrei, sind überall die Fenster erneuert und Dächer und Kellerdecken frisch isoliert. Doch die Müllboxen müssen noch auf die Straße versetzt werden, damit die Müllabfuhr nicht mehr in die Innenhöfe fahren muss. Denn diese werden komplett umgestaltet und autofrei. Ein Großteil der mächtigen Platanen soll einer „hochwertigen Ersatzbepflanzung“ weichen, um mehr Licht in die Innenhöfe zu bringen. „Darüber müssen wir intensiv mit der Stadt reden“, kündigt Projektleiter Torsten Kirberger mit Blick auf die Baumschutzsatzung an. Wlan, Fahrradboxen und ein neues Kanalsystem sind weitere Details des aufblühenden Eltingviertels.

Diakon sieht billigen Wohnraum schwinden.

Das Eltingviertel geht ein – das befürchtget Diakon Winfried Rottenecker. Er versteht einfach nicht die Stadtentwicklungspolitik im Rathaus. „Welches Interesse hat die Stadt Essen, billigen Wohnraum vom Markt zu nehmen?“ Essen brauche dringend Wohnungen, die Bezieher von Hartz 4 oder auch Flüchtlinge bezahlen könnten. „Niemand von ihnen, der eine Wohnung sucht, findet sie im Eltingviertel. Es kommt kein neuer ‘rein“, ist der Mitarbeiter der St. Gertrudis-Gemeinde überzeugt. Er erwartet auf Dauer sogar Leerstände im Eltingviertel, weil die Kosten zu hoch werden.

Winfried Rottenecker versucht vergeblich, eine einheitliche Strategie der Stadtverwaltung zu erkennen. „Auf der einen Seite gibt es eine gute Zusammenarbeit mit dem Sozialdezernat von Herrn Renzel, gleichzeitig wird stadtplanerisch genau das Gegenteil gemacht“, kritisiert der Diakon, der jetzt seit acht Jahren im Nordviertel arbeitet. Dort und in Altenessen-Süd gebe es eine „perfekte Zusammenarbeit der Träger“, organisiert von Gabriele Wittekopf (Uni/ISSAB) und Thomas Rüth (Awo): „Doch wenn hier der billige Wohnraum verschwindet, dann ziehen die Wohnungssuchenden woanders hin, und zwar dahin, wo es sowieso schon brennt.“