Essener Norden. . In Karnap rückt der Bau des Drainagesystems näher. Eine vom Land angekündigte Lösung des für die gesamte Emscherregion steht immer noch aus.
Der Pegelstand im Keller von Andreas Lochthowe misst an diesem regnerischen Morgen Niedrigwasser. Würde sich nicht alle paar Minuten die Elektropumpe mit einem Klick automatisch einschalten, Lochthowe stünde bis zu den Waden im trüben Nass. Der 51-Jährige wohnt in der Bersfortschanze in Karnap. Dort, wo die Häuser tiefer liegen als die Emscher, und wo der Grundwasserspiegel schon mal bis dicht unter die Grasnabe reicht. „So schlimm wie in diesem Jahr war es noch nie“, sagt Lochthowe und schiebt die braune Brühe mit dem Wasserabzieher in Richtung Abfluss.
Seit die Stadtwerke vor Jahren die alten löchrigen Abwasserkanäle, die das Grundwasser wie eine Drainage aufnahmen, erneuerten, klagen sie in Karnap über nasse Keller. Nun soll den Leuten geholfen werden. An der Lohwiese östlich der Karnaper Straße sind die Bagger angerollt. In diesen Tagen beginnen die Stadtwerke damit, Versorgungsleitungen zu verlegen.
Grundwasserspiegel soll um 50 bis 60 Zentimeter abgesenkt werden
Es ist der Auftakt für den Bau eines Kilometer langen Drainage-Systems, mit dessen Hilfe der Grundwasserspiegel um 50 bis 60 Zentimeter abgesenkt werden soll. Im Herbst geht es los rund um die Lohwiese und die Ahnewinkelstraße – zwei von drei betroffenen Gebieten im Stadtteil. Ein halbes Jahr später ist der Karnaper Westen an der Reihe, wo Andreas Lochthowe zuhause ist. Sechs Meter tief werden sich die Stadtwerke ins Erdreich hineingraben, um das 25 Zentimeter starke Drainagerohr zu verlegen, eingebettet in eine 1,80 Meter dicke Kiesschicht. Bis zu zwei Jahre lang wird Karnap zu einer Großbaustelle.
Gearbeitet wird mit schwerem Gerät, was in den schmalen Anwohnerstraßen kein leichtes Unterfangen ist. Rund 100 Hauseigentümer hätten sich gegenüber den Stadtwerken schriftlich damit einverstanden erklären sollen, dass ihre Vorgärten in Mitleidenschaft gezogen werden. Zwei Drittel der Angeschriebenen haben das erwünschte O.k. gegeben. Nicht jeder in Karnap hat einen nassen Keller. Die ursprünglichen Pläne mussten daraufhin überarbeitet werden, heißt es bei den Stadtwerken. Das kostete Zeit. Ursprünglich waren die Bauarbeiten für 2014 angekündigt.
134 Quadratkilometer großes Gebiet ist von Entwässerungsproblem betroffen
Die Drainage soll nun samt Kiesbett teilweise im unterirdischen Vortrieb verlegt werden. Technisch sei das anspruchsvoll. Ob’s funktioniert, wird man sehen.
Karnap wird also auch in dieser Hinsicht zum Pilotprojekt. Zur Erinnerung: Das Grundwasser-Problem mag in Essens nördlichstem Stadtteil ein besonders drängendes sein, betroffen ist jedoch nach Angaben der Emschergenossenschaft ein 134 Quadratkilometer großes Gebiet und damit nahezu die gesamte Emscherregion. Am Sitz des Verbandes hält man es für mehr als wahrscheinlich, dass auch andernorts im Essener Norden das Grundwasser in die Keller steigt, sobald marode Abwasserkanäle in der Nachbarschaft saniert werden. Die Genossenschaft empfiehlt deshalb Drainagesysteme, wie sie nun in Karnap gebaut werden, gleich mit zu verlegen. Die Frage ist: Wer bezahlt’s? Die Stadt Essen und die RAG haben sich erst nach zähem Ringen und politischem wie öffentlichem Druck darauf verständigt, die Kosten von acht Millionen Euro je zur Hälfte zu übernehmen.
Der Bergbau gilt als wesentlicher Verursacher des Grundwasserproblems. Eine Blaupause soll die bilaterale Vereinbarung zu Karnap aus Sicht der RAG aber nicht sein. „Wir sind nicht die einzigen“, formuliert ein Sprecher in Anspielung auf das Verursacherprinzip, dass nach Auffassung des Umweltministeriums bei der Lösung des Problems greifen soll. Obwohl von Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) zur Chefsache erklärt, liegt eine Rahmenvereinbarung, welche neben der RAG weitere Bergbau-Altgesellschaften oder deren Rechtsnachfolger mit einschließt, bis heute nicht vor. Nach Angaben des Ministeriums will sich die Landesregierung noch in diesem Jahr mit allen Beteiligten darauf verständigen. Auf eine pauschale Regelung darüber, wer welchen Anteil an den Kosten trägt, wird es allerdings kaum hinauslaufen. Untersucht werden solle „die jeweilige lokale Situation“.
Andreas Lochthowe ficht das nicht mehr an. Einen weiteren regnerischen Winter wird er noch durchhalten müssen. Dann sollte sein Keller trocken fallen, wenn das Drainagesystem denn funktioniert.