Essen-Katernberg. . Das Awo-Jugendhilfe Netzwerk Nord durchstreift mit Kindern nachts Halden oder Wälder – ein pädagogisches Outdoor-Projekt.

„Da waren wir schon überall“, sagt Victoria Gütthoff und weist im Awo-Haus am Katernberger Markt auf zwei große Karten an der Wand, die von Fotos umrahmt sind. Auf beiden Karten sind Orte mit farbigen Stecknadeln markiert, die per Faden mit „Essen“ verbunden sind. Auf der rechten Karte sind es andere Stadtteile, auf der linken geht es über die Stadtgrenzen hinaus. Zum Beispiel das Tetraeder auf der Halde in Bottrop, das Victoria Gütthoff und einige „Waldläufer“ kürzlich erst wieder in der Dunkelheit erklommen. Abenteuer pur.

„Waldläufer“ (11 bis 16 Jahre) und „Hopskids“ (5 bis 10 Jahre) sind zwei Lieblingsprojekte des Awo Jugendhilfe Netzwerks für die Bezirke V und VI. Vorbeugend sollen diese Projekte wirken, die seit 2009 bzw. 2011 am Start sind. „Hopskids“ ist ein Sport- und Bewegungsangebot, „Waldläufer“ ein abenteuer-pädagogisches Outdoor-Projekt.

Kinder können nicht rückwärts laufen

„Wir haben Kinder, die nicht rückwärts laufen oder balancieren können“, sagt Thomas Rüth, Leiter des Jugendhilfe Netzwerks Essen-Nord. Von aktiven Ausflügen und Freizeiten, wie sie die „Waldläufer“ machen, können viele Kinder im Essener Norden nur träumen – geschweige denn von Freizeiten. Viele Familien, deren Kinder an den Projekten teilnehmen, erhalten Transferleistungen wie Hartz IV, sagt Thomas Rüth.

Dem erfahrenen Sozialarbeiter und seinen Mitstreitern geht es aber nicht nur um den Augenblick. Die Projekte sollen verhindern helfen, dass Kinder irgendwann ins Heim eingewiesen werden müssen. „Das Heim ist das letzte Mittel. Ganz nebenbei ist es auch das teuerste“, erklärt Rüter. Vorbeugung zahle sich also in mehrfachem Sinne aus.

Ohne Geld geht es aber auch bei den „Waldläufern“ und den „Hopskids“ nicht. Die Personalkosten werden vom Jugendamt getragen, das ohnehin stets mit im Boot sei (Rüth). Für Sachkosten, und dazu gehören auch Ausflüge, fehlen öffentliche Mittel. Seit vier Jahren wird das Awo Jugendhilfe Netzwerk unterstützt vom Club Kohlenwäsche. Die derzeit 18 Männer haben sich zum Ziel gesetzt, benachteiligte Kinder und Jugendliche zu unterstützen. „Wir zahlen das nicht aus eigener Tasche“, stellt Präsident Markus Lehrmann klar. Der Club Kohlenwäsche, der sich als Serviceclub versteht, organisiert vielmehr Events wie „Sterne tun Gutes“. Spitzenköche bekochen seit 2012 einmal im Jahr auf Initiative des Clubs Gäste auf Zollverein. Den Erlös verteilt der Club auf verschiedene Institutionen, die sich um das Kinderwohl kümmern. Alles in allem wurden im ablaufenden Jahr mit Aktionen 160 000 Euro gesammelt, erklärt Markus Lehrmann.

Einen Teil davon bekommt das Awo Jugendhilfe Netzwerk. „Der Erlös wird direkt vor der Tür von Zeche Zollverein, im Essener Norden, wieder ausgegeben“, sagt Ralf Schütte. „Die vielen Gesichter von Armut sind uns erst durch diese Zuwendung bewusst geworden“, erklärt das Clubmitglied weiter. „Wenn man so herausragende Arbeit macht, sollte man auch das Geld haben“, so Schütte.

Die Plätze – „Hopskids“ gibt es zurzeit 16, „Waldläufer“ sind in zwei 7er-Gruppen aufgeteilt – sind begehrt, zumal die Kinder meist über Jahre in den Gruppen bleiben. „Die Warteliste ist gut gefüllt“, bestätigt Victoria Gütthoff, die mit den anderen beiden Gruppenleiterinnen Beate Gruhs und Monika Mursch die Projekte betreut. „Die Kinder saugen alles auf wie einen Schwamm“, sagt Gütthoff.

Die beiden Landkarten im Awo-Haus am Katernberger Markt werden bald wohl noch mehr Stecknadeln löchern.