Katernberg. . Recht spät entdeckte Peter Jacob die Drehorgel für sich. Mit umso mehr Leidenschaft ist der 65-Jährige aus Essen-Katernberg dabei.
Peter Jacob bringt die geschwungene, gusseiserne Kurbel an und dreht sie gleichmäßig. Blasebalge pressen die Luft durch die Pfeifen, über die sich ein gelochtes Band bewegt. Und schon ertönt ein typischer Sound. Peter Jacob spielt Drehorgel – und das mit großer Leidenschaft.
Der Weg zur Musik war für den 65-Jährigen aus Katernberg, der 1953 mit seinen Eltern aus Frose (Sachsen-Anhalt) nach Essen kam, dornig. Den Musiklehrer in der Schule kann er nicht leiden. Omas Klavier war auch nicht sein Ding. „Und für Gitarre sind meine Handwerker-Hände nichts“, erzählt Peter Jacob. Der gelernte Starkstrom-Elektriker arbeitete 33 Jahre als Küster in der evangelischen Gemeinde im Neuhof, für die er seit 21 Jahren auch als Prädikant (Laienprediger) tätig ist. Wie er schließlich auf die Drehorgel kommt, weiß er nicht mehr genau. 2001 kauft er sich den ersten Bausatz und macht sich im Keller ans Werk. „Am 29. September 2001 habe ich dann zur 100-Jahr-Feier in der evangelischen Kirche am Katernberger Markt erstmals öffentlich gespielt“, erzählt er.
Heute besitzt Peter Jacob fünf Instrumente, teils selbst gebaut, teils fertig gekauft. Das sechste entsteht gerade im Keller seines Hauses. Wie heißt es denn nun richtig: Drehorgel oder Leierkasten? „Beides ist richtig. Im Berlin Heinrich Zilles’ bekamen viele Kriegsinvaliden so eine Kiste, um sich etwas zum Lebensunterhalt zu verdienen. Für Reparaturen hatten sie kein Geld. Deshalb leierten die Instrumente irgendwann“, klärt der Katernberg auf. Seine Instrumente leiern natürlich nicht. Auch andere Dinge ändern sich. Wenn Peter Jacob aufspielt, begleitet ihn kein putziges Kapuzineräffchen, wie es früher einmal war. „Damals hatte das Äffchen eine doppelte Funktion. Zum einen war es an sich schon eine Attraktion, zum anderen sammelte es in den Berliner Hinterhöfen die Münzen auf, die für die Leierkastenmänner aus den Fenstern geworfen wurden.“ Münzen nimmt Peter Jacob auch. Dazu hat er einen weinroten, samtenen Beutel an der Orgel angebracht. Seine Äffchen sind aus Stoff und hocken friedlich auf bzw. neben dem Instrument. Die Münzen – wenn’s hoch kommt, sind es zehn Euro in zwei Stunden – investiert er in die Wartung seiner Instrumente und in jene gelochten Rollen, auf die die Lieder eingestanzt sind.
60 bis 70 Euro pro Rolle
60 bis 70 Euro kostet so eine Rolle. Etwa 300 Rollen mit Musik – Pop, Klassik, Schlager, Seemanns- oder Weihnachtslieder – besitzt Peter Jacob. Einen Teil von ihnen hat er aber auch selbst hergestellt. Zurzeit locht er ein Lied für die Adventszeit.
Der Katernberger, Vater von fünf Kindern (zwei eigene, drei Pflegekinder) und fünffacher Opa, spielt auf Familienfesten, Jahrmärkten, in Kirchen, auf Plätzen und in Straßen. Auf dem Familienfest reicht die „Kleine“ mit den 22 Pfeifen. Auf der Straße zieht er meist die fünf Register der „Großen“, die sich mit 67 Pfeifen kraftvoll Gehör verschafft.
„In der Innenstadt spiele ich nicht so gerne. Da gehen die Menschen meist mit dem Tunnelblick durch. In den Vororten kommt man mit ihnen schneller Kontakt.“ Die Reaktionen sind meist positiv. So wie die dreier Damen. „Dat spielze gezz nochma“, forderten sie Jacob energisch, aber freundlich auf und warfen ein paar Münzen in den Beutel. Er tat, wie ihm geheißen. Und das Damen-Trio tanzte dazu ausgelassen auf offener Straße.