Altenessen-Süd/Bergeborbeck. . Die Stadt informiert über neue Unterkunft für Asylbewerber in Altenessen-Süd. Neben Kritik am Vorgehen der Stadt zeichnen sich Hilfsinitiativen ab.

Welchen Überraschungen die Weltpolitik auch für eine normale Angestellte aus Altenessen-Süd parat hat, erfährt in diesen Tagen eine ehemalige Boecker-Mitarbeiterin. Sie wohnt nicht nur direkt neben der ehemaligen Verwaltung an der Hülsenbruchstraße, sondern saß dort auch hinter einem Schreibtisch. Doch wo sie noch vor ein paar Jahren ihr Geld verdiente, werden künftig 200 Flüchtlinge wohnen. Die Stadt informierte darüber am Donnerstagabend.

Knapp 100 Bürger waren der Einladung in den „Kreuzer“ an der Friedrich-Lange-Straße in Bergeborbeck gefolgt. Wie gewohnt, übernahm Sozialdezernent Peter Renzel die Aufgabe, sie über die Absichten der Stadt zu informieren. Die von ihm gewählte Überschrift über den Abend gab die Richtung vor: „Flüchtlinge – Herausforderung und Aufgabe der Stadtgesellschaft“.

60 Millionen Menschen seien derzeit weltweit auf der Flucht, schilderte Peter Renzel eingangs den Zuhörern. „Man bekommt den Eindruck, die Welt ist aus den Fugen“, sprach er ihnen wohl aus dem Herzen. Europa und Deutschland liegen allerdings nur am Rande der Flüchtlingsströme. „Pakistan ist mit 1,6 Millionen Flüchtlingen das größte Aufnahmeland, gefolgt vom kleinen Libanon mit 1,1 Millionen“, berichtete er. Nach Europa kämen lediglich drei Prozent der Flüchtlinge, und davon wiederum aktuell etwa 450 000 nach Deutschland. Damit ist allerdings schon der Rekordwert von 1993 übertroffen, als ähnlich viele Bosnien-Flüchtlinge Zuflucht vor dem Bürgerkrieg gesucht hatten.

Außenansichten der ehemaligen Boecker-Verwaltung Hülsenbruchstraße 30 im April 2014.
Außenansichten der ehemaligen Boecker-Verwaltung Hülsenbruchstraße 30 im April 2014. © WAZ FotoPool

Weil dazu auch Menschen aus Ex-Jugoslawien – ohne jede Aussicht auf Erfolg – Asylanträge stellen, deren Bearbeitung in der Regel 7,5 Monate dauert, steht die Sozialverwaltung unter immer größerem Druck, Wohnraum zu beschaffen.

Bürger erst spät informiert

Die leer stehende Boecker-Verwaltung war der Stadt bereits Ende vergangenen Jahres angeboten worden. Dass sie aber erst jetzt die Bürger über ihre Pläne unterrichtet, dort ein Übergangswohnheim einzurichten, wurde von Anwohnern kritisiert. Peter Renzel zog sich diesen Schuh an, bat aber auch um Verständnis: „Das hat zeitlich nicht geklappt. Wir leben jeden Tag von der Hand in den Mund.“

Statt dieses Gebäude zu nutzen, könne man doch Turnhallen nutzen, schlug ein älterer Anwohner vor. Der Dezernent hingegen erinnerte an den – bisher einzigen – Versuch, als vor zwei Jahren die Turnhalle Lohstraße mit 50 Menschen belegt worden war: „Das ist die Ultima Ratio. Im Notfall werden wir diese Karte ziehen. Aber alle Politiker im Rat sind einer Meinung, das zu vermeiden.“

Und auf die Frage, nach welchen Kriterien die Stadt Unterkünfte aussuche, entgegnete er knapp: „Ich frage nicht nach Kriterien, sondern ich muss unterbringen.“

Das war’s schon mit der Kritik. Beruhigend wirkte offenbar die Zusage, dass mit Martin Bock vom Diakoniewerk ein kompetenter Flüchtlingsberater mit seinem Team täglich als Ansprechpartner zu erreichen ist. Kinderbeauftragter Karl-Heinz Kirchner und Pfarrer Axel Rademacher, der zum ersten Runden Tisch am Dienstag, 14. Juli, 19 Uhr, ins Paul-Humburg-Haus, Hövelstraße 71, einlädt, sagten ihre Unterstützung zu.

Und die Boecker-Nachbarin kann vor dem Start am 1. August noch ihren ehemaligen Arbeitsplatz besichtigen . . .