Der Choreograf Ben J. Riepe hat für seine neue Performance mit Essener Laiendarstellern über 50 gearbeitet. Ihre Erinnerungen sind Teil der Inszenierung

Ben J. Riepe gehört zu den prägenden Choreographen der zeitgenössischen Tanzszene – nicht nur in NRW. „Hätte ich gewusst, wie bekannt er ist, hätte ich mich wahrscheinlich nicht gemeldet. Dann hätte ich zu hohe Erwartungen an mich gehabt“, sagt Agnes Schmidt. Gut, dass sie es nicht wusste. Die 59-jährige Stoppenbergerin ist eine von 14 Laiendarstellern in Riepes neuer Arbeit „The White Void_Series“, die im Rahmen des Festivals „tanz nrw 13“ bei Pact Zollverein uraufgeführt wird. Agnes Schmidt schwärmt von einer „herrlichen Atmosphäre“, von einer „inzwischen eingeschweißten Truppe.“

Krieg und Campingurlaube

Ben J. Riepe choreographiert häufig Gruppen, aber zum ersten Mal arbeitet er intensiv mit Laien zusammen. Es ist nur eine weitere Grenze, die er überschreitet. Denn für den Düsseldorfer Choreographen und Folkwang-Absolventen gehört zu einem ästhetischen Erlebnis immer mehr als der reine Tanz. Er lässt sich vor allem von der bildenden Kunst inspirieren, seine neue Arbeit lässt sich wohl am besten mit „Performance-Installation“ beschreiben. Ihr liegt ein klares Konzept zugrunde, das Riepe seit mehreren Monaten entwickelt. Erste Rechercheskizzen konnten Pact-Zuschauer unter dem Titel „Schwarz_Weiß_Denken“ sehen.

Schwarz und Weiß sind die stil- und strukturgebenden Farben dieser Arbeit. Schlichte Kontraste, die Mehrfarbigkeit in Gedanken ermöglichen sollen. Die Laiendarsteller sind die Bildproduzenten, vielleicht eher Bildboten. Bewusst hat Riepe Ü 50-Jährige mit weiß-grauen Haaren gesucht. Die passen nicht nur ästhetisch ins Schwarz-Weiß-Bild. Die haben auch eine Vergangenheit, die heute nicht mehr sicht-, aber erinnerbar ist.

Um diese Erinnerungen geht es inhaltlich. Ums Pflaumenkuchenbacken, um Campingurlaube, auch um den Krieg. Agnes Schmidt erinnert sich an den Tante-Emma-Laden ihrer Großmutter. „Es sind lustige, traurige, banale, ernste, schöne Geschichten“, sagt Riepe. Er hat seine Senioren in den Proben einfach erzählen lassen. „Das war wie in einer Therapiesitzung, irgendwann ist der Damm gebrochen“, meint Agnes Schmidt. Zwei Wochen haben sie am Stück geprobt. In der Zeit habe sie selbst nachts im Bett noch viel darüber nachgedacht. Die Hausfrau und selbstständige „Notmutter“ ist „aus reiner Neugier“ zum Casting gegangen. Sie ist froh darüber. Sie hofft, dass auch „die Besucher etwas mit nach Hause nehmen“ werden.

Nach Riepe sollen das viele Bilder sein. Er schickt die Zuschauer durch zwei Räume, die an eine Galerie oder ein Fotostudio erinnern. Begriffe wie Natürlichkeit und Künstlichkeit, Alter und Erinnerung, Realität und Wahrnehmung sind Themen dieser Arbeit. Im Idealfall führt sie zu einem neuen Sehen.