Das Ruhr Museum startet eine Weltreise zu den Bergbaugebieten. Auch ein altes Fahrrad aus Indien hat den Weg in die Zollverein-Ausstellung gefunden

Eine Milliarde Tonnen Kohle werden heute pro Jahr weltweit exportiert. Ein Stückchen Steinkohle aus Brasilien als Ausstellungs-Exponat zu bekommen, kann sich dagegen als echte organisatorische Herausforderung gestalten. Zahllose geologische Institute und weltweite Kohleproduzenten hat Udo Scheer von der geologischen Sammlung im Ruhr Museum im Vorfeld der Ausstellung „Kohle. Global“ angeschrieben. „Die Reaktionen waren gleich null.“ Dank intensiver Recherche sind sie nun doch alle da: ein Bröckchen Weichbraunkohle aus Tschechien, die Mattbraunkohle aus Korea und die wie eingebutterte Glanzbraunkohle aus Dänemark. Blinken und glitzern im Licht der Scheinwerfersystems, das Ursula Gillmann gerade setzen lässt. Die Schweizer Gestalterin hat die Einrichtung der Ausstellung „Kohle. Global“ übernommen, die ab kommenden Montag den Bogen zwischen Erd- und Wirtschaftsgeschichte schlägt, zwischen Alaska und Australien, zwischen der Heiligen Barbara und Abraumbaggern, kurzum: zwischen Gestern und Heute.

Eine Ausstellung über die Entstehung der Kohle, den Abbau und Verbrauch weltweit, in einer ehemaligen Kohlenwäsche zu zeigen, liegt natürlich nah. Gleichzeitig habe der Raum „aber auch eine wahnsinnig starke Präsenz“, sagt Gillmann, „das ist spannend, aber auch schwierig“. Die Schweizerin hat sich in ihrer Inszenierung auf das Konzept der Sichtachsen konzentriert. Wer in der Seitenkabinetten des ehemaligen Kohlebunkers die Giganten der Technik mit ihren Riesenschaufelbaggern bestaunt, dessen Blick fällt automatisch auf die gegenüberliegende Seite mit den Gewerkschaften. Und die Errungenschaften des Kohlewohlstands gibt es nicht ohne einen Verweis auf die zerstörerischen Folgen: Luftverschmutzung, Bergsenkung, Grubenunglücke.

Das Thema ist gewaltig. So groß, dass die vielen Fakten, Zahlen, Statistiken gar nicht ohne Hilfe der neuen Medien vermittelt werden können. Vor allem die in Bild und Ton vertretenen Menschen aber sollen uns die „Kohle. Global“ nahe bringen. Menschen wie Binod Rand, der sein rostiges Fahrrad erst nach reiflicher Überlegung aus dem indischen Kusumkanali nach Essen geschickt hat. Bis zu 300 Kilo Kohle hat der 28-Jährige damit täglich transportiert. „Dies ist mein Glücksfahrrad. Sechs Jahre hat es mich nicht im Stich gelassen.“ Binod wird sich hoffentlich ein neues Rad gekauft haben, denn diese eigentlich illegalen „Schwarzfahrer“ wie Binod verdienen damit 15000 bis 20000 pro Monat Rupien und damit dreimal mehr als jeder Landarbeiter.

Der Energiehunger steigt

Kohle. Global“ ist kein nostalgischer Blick in die Bergbau-Geschichte des Reviers, mit Zechenromantik und Kumpel-Geschichten, sondern eine spannende Bestandsaufnahme der derzeitigen Kohle-Situation weltweit und eine Reise in die Reviere der anderen – von Alaska bis Australien. Während in Deutschland 2018 die Steinkohleförderung offiziell eingestellt wird, zeigt die Ausstellung im Ruhr Museum, wie und wo es weitergeht: vor allem in Asien mit China als größtem Kohlumschlagplatz. Die Tatsache, dass sich die Förderung weltweit verdoppelt hat, gibt dabei Anstoß zu Fragen. Da geht es um den Energiehunger der alten und neuen Industriegesellschaften, die Chancen der Globalisierung und die Folgen für das Weltklima. Jedes dritte Land der Erde ist Kohleproduzent, fast alle Staaten sind Kohleverbraucher. Wie lange noch? Während die Geschichte der Kohle 350 Millionen Jahre zurückreicht, rechnen Experten damit, dass die Zukunft noch wenige hundert Jahre dauert