Essen. Ulrich Roehm hat die Tanz-Elite nach Essen geholt und vor 30 Jahren die Auszeichnung selber ins Leben gerufen. Nun wird der Ballettbegeisterte für sein unermüdliches Engagement für den Bühnentanz geehrt
Die einen nennen ihn heute lässig „Mister Deutscher Tanzpreis“. Für die anderen ist er schlichtweg eine Institution. Ulrich Roehm hat in Essen Tanzgeschichte geschrieben. Und nicht nur hier. Der bald 80-Jährige hat sich in aller Welt für den professionellen Bühnentanz engagiert. Zum Abschied erhält nun der, der die Crème de la Crème der internationalen Tanzszene nach Essen geholt und mit Ehren bedacht hat, selbst die besondere Auszeichnung. Der Erfinder, Mentor und Moderator dieser einzigartigen Ehrung wird am Samstag im Aalto mit dem Deutschen Tanzpreis bedacht. Gefeiert wird das mit einer prominent besetzten Gala, die von den exzellenten Kontakten zeugt, die Roehm in alle Tanzwelt unterhält.
Hans-Werner Henze, Maurice Béjart, Heinz Spoerli, John Neumeier, Pina Bausch: Die Liste der Geehrten ist lang und erlesen. Schon als der Deutsche Tanzpreis 1982 in Essen ins Leben gerufen wurde, standen 17 große Namen darauf. „Und die sind auch alle abgehakt“, bilanziert Roehm, der Erfinder dieser hochkarätigen, aber undotierten Auszeichnung, die seit zehn Jahren auch einen jüngeren Ableger hat: den Tanzpreis Zukunft.
„Die nächste in der Gruppe war Pina“
Nachwuchsarbeit, die liegt diesem passionierten Tanzpädagogen schließlich besonders am Herzen. Dabei hat Roehms Karriere fast wie selbstverständlich angefangen, keine Stolperer, keine unsanften Landungen. Schon jung wird die Bühnenbegabung des Wuppertaler Waldorfschülers erkannt, am Dortmunder Theater darf er als Eleve erste Bühnenerfahrung sammeln. Der damalige Leiter der Tanzabteilung an der Essener Folkwang-Hochschule Kurt Jooss nimmt den blonden Jüngling „mit Handkuss“, als der sich Anfang der 1950er in Werden vorstellt. „Die nächste, die in unsere Gruppe kam, war Pina“, erinnert sich Roehm. Er studiert bis zur Meisterklasse und irgendwann tanzt er auch im jenem legendären Stück, für das Jooss und Folkwang bis heute berühmt sind: Das expressionistische Antikriegs-Ballett „Der grüne Tisch“, mit dem die Jooss-Truppe weltweit auftritt.
Wenn Roehm sich heute an diese prägende Begegnung mit Jooss erinnert, dann spricht er von Schicksal. Roehm glaubt an Schicksal. Und er glaubt daran „Ehrgeiz, Disziplin und ein Ziel haben zu müssen“. Sein Ziel heißt: Im klassischen Tanz ebenso gut zu sein wie im Tanztheater, „nur so bekommt man eine erste Position“. Beim Ballet Royal de Wallonie geht der Wunsch als „Premier Danseur Etoile“ rasch in Erfüllung. Er tanzt den Prinz Siegfried in Schwanensee, den Albrecht in „Giselle“, ist der Romeo neben Julia. Manchmal setzt er sich nachts in Belgien ins Auto, um am nächsten Morgen in Essen zu sein. Schließlich ist er nicht nur frisch gebackener Familienvater, sondern auch noch Solist an den Städtischen Bühnen Essen und beim Folkwang-Ballett. Von 1963 bis ‘69 wird er schließlich Erster Solotänzer in Essen. Bis ihn der Ruf des National Ballet of Canada nach Toronto lockt.
Anfang der 70er zieht er mit Frau, zwei Kindern und fünf Kartons für ein paar Jahre nach Kanada -- und gründet drei Tanzschulen. Gehen oder bleiben? Für Roehm, den agilen Vernetzer und Organisator, fällt die Entscheidung bei einem verregneten Deutschlandbesuch im Sommer ‘73. Wenige Wochen später eröffnet das Roehm-Tanzstudio. Es ist der Anfang einer langen, verdienstvollen Bemühung um den professionellen Bühnentanz in Deutschland.