Essen-Steele. . Aktionskünstler Rolf Dennemann inszenierte auf dem Kaiser-Otto-Platz in Steele seine „Dorforgie“. Ein Mitspieler berichtet.

Proben sind überwertet: Das ist definitiv ein Schluss, den ich aus meiner Teilnahme bei der Großperformance „Dorforgien“ gezogen habe, mit der Aktionskünstler Rolf Dennemann am Samstagabend über 700 Zuschauer auf den Steeler Kaiser-Otto-Platz lockte. Sie erlebten eine originelle Mischung aus Kunstprojekt und Stadtteilfest.

Kurz bevor es losgeht, werde ich langsam nervös, denn mir dämmert, dass meine Protestgruppe, mit der ich den Abend bereichern sollte, bei den Proben nicht gerade viel über den Ablauf des Abends gelernt hat. Die Generalprobe fiel sogar wegen eines Platzregens buchstäblich ins Wasser.

Am Samstag ist gegen 18 Uhr schon erkennbar, dass hier Kunst stattfinden wird: Bühnen sind über den Kaiser-Otto Platz verteilt, die knapp 30-köpfige Jazz-Band „The Dorf“ probt und vor dem Torbogen zur Straße „Alte Zeilen“ hängt nun ein roter Vorhang. Ganz zu schweigen von den vielen Technik- und Crewmitgliedern, die überall umherwuseln.

„Freie Atmung für alle!“

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19.30 Uhr: Der Kaiser-Otto-Platz ist voller Menschen. Und dann geht’s los: Die Schauspieler Sandra Wickenburg und Matthias Hecht stellen die „Dorfbewohner“, die Mitwirkenden vor: Die Schnippelgruppe etwa, die während der Performance eine Gemüsesuppe vorbereitet. Kunst zum Riechen und Schmecken also. Oder die tanzende Dorfjugend, seltsam vermummte Gestalten, die als „Fremde“ vorgestellt werden, die Wahrsagerin, der Gemüsemann, der aus ungeklärten Gründen aussieht wie ein Postbote – und uns, die Protestler. Erster Auftritt beendet. Wir lauschen den ersten schrägen Töne von „The Dorf“, sehen dann Tänzern ohne Musik zu und ziehen protestierend zu einer weiteren Bühne, auf der Sandra Wickenburg steht, die nun die Oberprotestlerin gibt. „Wir fordern Wahlrecht für Hunde!“ skandiert sie, „und freie Atmung für alle!“ Wir rufen im Chor: „Atmen! Atmen! Atmen!“

Die Cheerleadergruppe tritt auf – sollte auftreten, doch sie verpasst das Stichwort, denn alles geht schneller als der Ablaufplan vorgesehen hat. Gut, dass die Veranstaltung bewusst chaotisch aussieht, so denken viele, der verpatzte Auftritt sei geplant. Wir protestieren noch gegen den Verfall des Fleischmarkts, bevor Rolf Dennemann eine Art Pause verkündet: Das Publikum soll nun – wie bei einem Stadtteilfest – die Stationen erkunden, den mobilen Flohmarkt etwa, Chöre, Tänzer oder sich in den Wohnwagen der Kartenlegerin wagen. Manche denken offenbar, dies sei das Ende, weshalb in dieser halben Stunde das Publikum um gut ein Drittel schrumpft.

Schade, denn so verpassen manche die beeindruckende Motorradkolonne, die in einer Actionszene mündet, bei der der Gemüsemann/Postbote dran glauben muss – und nicht zuletzt die Schlussparade, bei der auch meine Protestgruppe mitmarschiert. Nur unseren Haka, den verpassen sie nicht, denn da „The Dorf“ zu früh zum Schlusskonzert ansetzt, fällt er kurzerhand aus. Da hätte ich mir die Probe ganz sparen können. Egal, sich spontan auf Situationen einzustellen ist schließlich auch eine Kunst: