Essen. Mit der Sonderausstellung „Im Farbenrausch. Munch, Matisse und die Expressionisten“ hat das Essener Museum Folkwang wohl den nächsten Publikumsmagneten im Programm. Konzeptkünstler und Kunstdozent Mischa Kuball sprach mit uns über Avantgarden und Blockbuster.
Die nächste Sonderausstellung des Museums Folkwang wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Publikumsmagnet. Für „Im Farbenrausch. Munch, Matisse und die Expressionisten“ hat das Museum nach eigenen Angaben erstmals die „Fauves“, die sogenannten Wilden in der französischen Kunst, den Norweger Edvard Munch und die jungen deutschen und russischen Expressionisten einander gegenüber gestellt. am 29. September wird sie eröffnet. Die Ausstellung steht in der Tradition des Museumsgründers Karl Ernst Osthaus fort, der ab 1906 Werke der Fauves, der Expressionisten und Edvard Munchs zeigte und erwarb. So kann das Museum Folkwang wichtige Werke aus der eigenen Sammlung in das Projekt einbringen. Drei Fragen zur Ausstellung an den Konzeptkünstler und Kunstdozent Mischa Kuball.
Was bedeuten Ihnen die Expressionisten?
Sie stehen für mich für eine Kunst an der Schwelle zweier Jahrhunderte, voller technischer Innovationen und territorialer Kriege, mit verheerenden Folgen für Europa. Genau in dieser Zeit sich dem freien Fluss der Farbe und der Auflösung der Form zu verschreiben und damit ein neues Bild des Menschen zu zeichnen, erschien in dieser Phase ungeheuerlich und gewagt!
Damals Skandal - heute große Blockbuster-Ausstellung. Was war daran innovativ - wer oder was sind heute die „Nachfolger“?
Das liegt natürlich im geschichtlichen Verlauf von Avantgarden – was Kirchner, Macke, Mueller, von Werefkin und andere geschaffen haben und in der künstlerischen Formulierung von ‘Brücke’ und ‘Blauem Reiter’ in eine Gesellschaft im Aufbruch formuliert haben, ist von darauf folgenden Künstlergenerationen überformt und weiter entwickelt worden.
Gegenwartspositionen wie die ‘Neuen Wilden’ der 1980er Jahre, aber auch Jean-Michel Basquiat, beziehen sich auf den ursprünglichen Impuls des Ausdrucks – manchmal erzeugt es noch ein Aufsehen, oft aber auch ist dieser Ausdruck längst gelernt und ins kollektive Bildbewusstsein eingegangen; vielleicht ist heute nicht mehr so sehr die malerische Technik, sondern der Inhalt, der den Skandal und die gesellschaftlichen Empfindungen anzustacheln weiß – z.B. bei Thomas Hirschhorn, seine unverdeckte Art Krieg und seine Medienbilder zu zeigen, erzeugt ästhetischen Ekel und kontroverse Debatte. Das scheint mir die Aufgabe von Avantgarden zu sein: uns aus der mentalen lethargischen „Comfort Zone“ zu holen!
Was verbindet Sie als Konzeptkünstler mit Farbenrausch und den Expressionisten?
Einerseits die reine Empfindung, aber auch die Frage nach Taumel, Beschleunigung, Ekstase und Kontrollverlust, als Gegenentwurf zu einer durchorganisierten Gesellschaftsordnung, die sich messbaren Effizienzen deutlicher verpflichtet, als die dem Menschen innewohnende Lust am sensorischen Snnlichen bis hin zur Auflösung. In meinem aktuellen Projekt bei ‘platon’s mirror’ gibt es genau solche Momente der Auflösung der Form. Ich denke aber auch an das Vermächtnis von Stanley Kubrick’s ‘2001-A Space Odyssey’ - wenn der Computer HAL die Kontrolle übernimmt, zeigt der Film eine fast 20 minütige Sequenz die sich dem reinen Farbrausch verschreibt. Eine deutlichere Metapher für den Kontrollverlust kenne ich nicht!