Geschichtsunterricht in der Schule: Nachdem der Lehrer zusammen mit den Schülern Aufwärmübungen „für die Konzentration und fürs bessere Miteinander“ durchgeführt haben, geht es an die französische Revolution: Die Schüler spielen die Vorbedingungen nach. „Wie fühlt man sich als unterdrücktes Volk, wie als König?“, fragt der Lehrer. Was ein wenig klingt wie eine Stunde in der Waldorfschule, ist die Vorstellung von Theater begeisterten Schülern vom perfekten Unterricht. Im Rahmen des Unruhr-Festivals, bei dem sich Jugendtheatergruppen aus dem gesamten Ruhrgebiet am Schauspiel Essen treffen, untersuchen die Schüler, wie man die Schule mit Mitteln des Theaters verbessern kann.

performative Stadtrallye

Probleme gibt es viele in den Klassenzimmern, da sind sich die Schüler einig, die aus Bochum, Castrop-Rauxel, Dortmund, Duisburg und Oberhausen nach Essen gekommen sind, natürlich um sich gegenseitig ihre Projekte vorzuspielen, aber auch, um sich gegenseitig zu inspirieren, Impulse zu geben. Nicht nur für die Theaterworkshops an den Schauspielhäusern, auch für den Alltag in der Schule. In kleinen, bunt zusammengewürfelten Gruppen, gehen die Schüler der schuloptimierenden Frage nach – und der Frage, wie man die Antworten darstellen kann. Denn einen Tag später gilt es, die Ergebnisse in Form einer „performativen Stadtrallye“ darstellen.

„Wie das genau aussehen soll, wissen wir auch noch nicht“, zuckt Katharina Feuerhake, Theaterpädagogin am Schauspiel Essen mit den Schultern. Improvisationstalent ist gefragt – wie auch bei der Eröffnung am Donnerstagabend: Während die Essener „Young Experts“ ihre Eigenproduktion „Ein klassisches Drama“ zum Besten geben, geht das Licht plötzlich aus – Stromausfall. Und das Stück, das locker auf Peter Handkes „Publikumsbeschimpfung“ basiert, sowieso mit der Erwartungshaltung der Zuschauer spielt, hält dies jeder für einen Teil der Inszenierung, selbst in dem Moment, als der Intendant Christian Tombeil das Publikums ins spärlich beleuchtete Foyer lotst. Nur langsam dämmert es, dass hier die Realität dem Theater den Stecker herausgezogen hat.

Dabei würden die Schüler doch ihre Wirklichkeit mit mehr von dem anreichern, was sie von ihrer Theaterarbeit kennen. „Die Schüler sollten aktiver in die Gestaltung des Unterrichts einbezogen werden“, ist etwa die 16-jährige Lynn aus Duisburg überzeugt. „Wenn man Themen selbst in Gruppen aufbereitet, bringt das auf jeden Fall mehr als Frontalunterricht.“ Wenngleich der Dortmunder Niels, ebenfalls 16 Jahre alt einräumt: „Bei Mathe zum Beispiel ließe sich so etwas wohl schlecht realisieren.“

Doch nicht zuletzt die Gruppendynamik sei in der Theatergruppe besser als an den Schulen: „Ich kenne die meisten aus meiner Klasse kaum“, räumt Lilli ein. „Bei der Gruppe des Jungen Schauspielhauses wird, etwa durch Aufwärmübungen, viel dafür getan, damit man sich besser kennenlernt“, sagt die 15-Jährige Bochumerin. „Ich vertraue jedem aus meiner Gruppe.“

Es gibt aber auch Aspekte aus den Jugendtheatergruppen, die sich nicht unbedingt für die Übernahme in den Schulalltag eignen. „Das Chaos“, lächelt Lynn. „Wenn wir ein neues Stück entwickeln, dann geht manches schon drunter und drüber.“Dennoch sind die Schüler überzeugt, in ihrer kleinen Inszenierung einer Wunschschulstunde viel Wahres und Alltagstaugliches entdeckt zu haben. Und eines kann wohl kaum jemand bestreiten: Mehr Kreativität dürfte auch den Schulen kaum schaden.