Nach gut zwei Stunden Oper und minutenlangem Applaus war Familie Messow erst einmal auf der Suche nach wohlverdienter kulinarischer Abwechslung. Immerhin warten zu diesem Zeitpunkt des Abends noch zwei weitere Akte auf die vier Braunschweiger.
Bei der zweiten Auflage des „Sommernachtstraums“ wurden rund um die Essener Philharmonie gleich drei hochkarätige Inszenierungen- Musik, Schauspiel und Tanz - auf die Bühne gebracht. Wie ihnen der erste Akt gefallen hat? Ganz unterschiedlich. Während Tochter Marie zugibt, der klassischen Oper nicht viel abgewinnen zu können, kommt ihre Mutter aus dem Schwärmen kaum noch heraus. „Die musikalische Aufführung war absolut klasse. So kann es gerne weitergehen.“ Ganz bewusst habe man sich entschlossen, für die etwas andere Art der Aufführung anzureisen. „Die Idee, drei Akte in drei verschiedenen Darstellungsformen aufzuführen, hat uns besonders interessiert“, so Helga Messow weiter.
Unter dem Titel „Blicke nicht zurück“ wurde die Liebesgeschichte von Orpheus und seiner Eurydike erzählt. Er, in der griechischen Mythologie das, was man heute einen Popstar nennt. Sie die Frau an seiner Seite. Als Eurydike durch einen Schlangenbiss zu Tode kommt, versucht er seine Geliebte durch seinen Gesang aus der Unterwelt zu befreien. Die Götter geben nach. Wenn er sich bei der Rückkehr aus dem Hades nicht nach seinem Herzblatt umsieht, ist sie frei. Blöd nur, dass Eurydike ihr Dasein in der Unterwelt mehr schätzt,als ihr irdisches Leben im Schatten ihres Mannes. Er dreht sich schließlich um, und Eurydike ist für immer verloren. Monteverdis Oper „L’Orfeo“ - aufgeführt unter der musikalischen Leitung von Dirigent Thomas Hengelbrock - stellte dabei die Sicht Orpheus dar. Schauspielerin Johanna Wokalek spielte im zweiten Akt den Monolog der Eurydike. Eine Uraufführung von Elfriede Jelineks „Schatten“.
„Das Konzept Musik, Schauspiel und Tanz in drei Akten darzustellen sollte durchaus Schule machen“, sagt Wolfgang Sandner. Oft seien die Opernaufführungen zu sehr vom Schauspiel beeinflusst und so gerate die Musik schnell in den Hintergrund. Dass ein Abend dadurch mitunter sehr lang werden kann, nimmt er gerne in Kauf. „Kunst ist eben manchmal anstrengend“, scherzt der Musikfachmann.
Der letzte Akt - im vergangenen Jahr noch sprichwörtlich ins Wasser gefallen - war eine Tanzaufführung unter freiem Himmel. Im Stadtgarten unmittelbar zwischen Philharmonie und Aalto-Theater sahen die rund 1200 Zuschauer ein zwanzigminütiges Ballett des Aalto-Ensembles. Für Horst Schinke, der Monteverdi eigentlich schon zu oft gehört hat, eine rundum gelungene Veranstaltung: „Wenn Monteverdi - dann so. Die Aufführungen waren aber wirklich alle hervorragend.“ Vor allem der Name Jelinek habe ihn und seine Partnerin gereizt, den Abend in der Philharmonie zu verbringen. So sehr, dass er schweren Herzens auf die Übertragung des Viertelfinales der Fußball-Europameisterschaft verzichtete, gesteht Schinke mit einem Lächeln.Welcher Akt letztlich am meisten gefallen hat? „Das Zusammenwirken aller drei Komponenten war für mich das Highlight“, so der erfahrene Operngast. Eine Idee die man gerne öfter umsetzen könne als einmal im Jahr.