Eine grandiose Leistung lieferte der Essener Musical-Nachwuchs ab: Dessen Folkwang-Abschlussprojekt „Ein Mann geht durch die Wand“ bewies mit einer umjubelten Premiere im Theater im Rathaus, dass es keine große Namen braucht, um auf der Bühne Großes zu vollbringen.

Das gilt sowohl in Bezug auf die Darsteller als auch auf die Stückauswahl. Denn das Team um Musical-Professor Gil Mehmert hat sich immerhin – wie bereits vor zwei Jahren mit „High Fidelity“ – für eine deutschsprachige Erstaufführung entschieden.

Robin-Hood-Manier

Die Handlung, die auf einem Roman des französischen Autors Marcel Aymé basiert, ist ebenso simpel wie originell: Der fleißige, jedoch unscheinbare Postbeamte Dutilleul entdeckt, dass er die Fähigkeit besitzt, durch Wände zu gehen. Als er beginnt, auf diese Weise Einbrüche zu begehen und das Diebesgut in Robin-Hood-Manier unter die Leute zu bringen, wird er in Paris zum Helden. Für ihn praktisch, denn im Grunde will er nur die Aufmerksamkeit seiner von ihm Angebeteten Nachbarin Isabelle erregen, die von ihrem Gatten, dem fiesen Staatsanwalt, zu Hause eingesperrt wird.

Mehmert konzentriert sich auf die Liebesgeschichte, die mit französischem Flair und – dank der gelungenen Übersetzung von Edith Jeske, die die Vorlage von Michel Legrand und Didier van Cauwelaert perfekt ins Deutsche transportierte – viel Wortwitz gewürzt ist. Die Handlung belässt er in der Pariser Nachkriegszeit. Politische und gesellschaftliche Konflikte deutet er jedoch bestenfalls nur an, die Betonung liegt auf Leichtigkeit. Diese bringt die dreiköpfige Band, dirigiert von Patricia Martin und Michael David Mills, hervorragend in ihren chansonesquen Arrangements rüber.

Auch das intelligente Bühnenbild von Beata Kornatowska und die pointierten Kostüme von Jennifer Thiel tragen viel zur stimmigen Atmosphäre bei.

Doch der Fokus liegt auf dem Ensemble: Und das gibt sich spielfreudig und stimmstark. Oliver Morschel in der Titelrolle und Andreas Bongard als Isabelle sind geradezu herzzerreißend, aber auch die kleinsten Rollen schaffen es, sich mit tollen Darbietungen ins Gedächtnis zu brennen.