Essen. Das Grillo-Ensemblemitglied Tom Gerber präsentiert in der Casa mit dem Stück „Heim.Spiel.Essen“ seine erste Regiearbeit in Essen. Hierfür hat er auch Laien rekrutiert.

Mit „Heim.Spiel.Essen“ liefert Tom Gerber, Ensemblemitglied des Grillo, am 23. März in der „Casa“ seine erste Regiearbeit ab.

Tom Gerber gerät kurz ins Stocken. Auf die Frage, was Heimat für ihn bedeute, kann er nicht spontan antworten. Da muss er nachdenken. Obwohl er sich seit Wochen intensiv mit dem Thema auseinandersetzt. „Heimat ist das, wo ich herkomme“, sagt er dann. Tom Gerber wurde 1967 in Brandenburg geboren. „Wenn ich mich dort in den Kiefernwald, in den Sand stelle und die Luft einatme, dann habe ich ein Heimatgefühl.“ Das ist nicht alles. „Heimat sind auch die Leute um mich herum, Freunde und Teile meiner Familie. Leute, die einem das Herz warm machen.“

Texte beruhen auf Interviews

Seit anderthalb Jahren lebt Tom Gerber in Essen. Intendant Christian Tombeil hat ihn 2010 als Ensemblemitglied engagiert. Die erste Regiearbeit „Heim.Spiel.Essen“ ist ein Abend über das Ankommen, Dortbleibenwollen und Sichwiederwegwünschen. Fünf Profis und 14 Laienschauspieler zwischen 24 und 85 Jahren erzählen ihre Geschichten vom Leben in der Stadt Essen, in die sie einst gezogen sind und die vielleicht ihre Heimat geworden ist.

Die Texte beruhen auf Interviews, die 2010 für die Inszenierung „Winterreise“ geführt wurden. Die Produktion wurde damals abgesagt, Anlass waren künstlerische Differenzen zwischen Intendant und Regisseurin Bernarda Horres. „Aber die Geschichten wollte das Haus nicht einfach durch den Schredder jagen“, sagt Gerber. Also habe er die insgesamt 660 Interviewseiten zum Thema Heimat und Familie gelesen und die für ihn spannendsten Geschichten ausgewählt und weiterverarbeitet.

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Zum Beispiel die von Willi Nienhaus. Der Essener Rechtsanwalt spricht über sein Verständnis von Gerechtigkeit, über seine Kriegserlebnisse, seine Ehe und seine Generation, „die sich so durchgewurschtelt“ hat. „Nicht alle direkt zum Psychiater! Früher gab’s das gar nicht! Burn-out.“ Aber das sagt nicht Nienhaus, sondern Schauspieler Sven Seeburg. „Die Idee war, dem authentischen Menschen ein Double beizustellen“, erklärt der Regisseur. Die Schauspieler stünden als Handwerker auf der Bühne – kleben sich einen Schnurrbart an, setzen eine Perücke auf –, damit die Originale ihre Geschichte erzählen könnten.

„Du musst oben bleiben mit der Stimme bei deinem Text, die Spannung halten“, lautet eine Anweisung des Regisseurs für Willi Nienhaus bei der Probe. Tom Gerber hat bereits in Karlsruhe, wo er zehn Jahre als Schauspieler und Regisseur tätig war, mit Laien gearbeitet. Der spielende Mensch stehe bei seiner Arbeit immer im Mittelpunkt, zwischen Profis und Laien unterscheide er da nicht. „Ich fordere und schütze sie genauso.“ Auch das Bühnenbild hat Tom Gerber entworfen. Mittig sitzen die Darsteller auf ollen Stühlen, weiter hinten türmen sich Umzugskartons. Es herrscht die Atmosphäre eines Wartesaals, ein Zustand zwischen Anreisen, Auspacken und Abreisen.

Dass das Thema Heimat schon bei den Stadtprojekten unter Tombeils Vorgänger Anselm Weber ein beliebtes und erfolgreiches war, weiß Tom Gerber. „Fast jedes Haus beschäftigt sich doch damit“, winkt er aber ab. Vor allem dann, wenn eine neue Intendanz beginne. Aber diese Stadt erzwingt diese Auseinandersetzung offenbar auch. „Essen ist eine klassische Zugezogenen-Stadt“, sagt Gerber. Und die Debatte um Migration wolle er an diesem „hoffentlich sehr unterhaltsamen Abend“ nicht ausblenden. „Wir zeigen, dass es einen Riss gibt“. Auf spielerisch-poetische Weise will Gerber ein abstraktes Gesellschaftsgemälde der Stadt Essen zeichnen.