Essen. Zukunfts-Preisträgerin ist die junge Türkin Gözde Özgür. Sie tanzt in der Kompanie des Bayerischen Staatsballets, die Liska seit 1998 leitet.

„Tanze in Essen vor, steige auf keinen Fall in Düsseldorf aus.“ Das sagte 1969 ein Professor dem damals 19-jährigen Ivan Liška, kurz nach dem er nach dem Prager Frühling aus seiner Heimat emigrierte. Damit meinte der kluge Mann natürlich nicht das Ballett des damaligen kleinen Opernhauses. Liška und sein Lehrer hatten die Folkwangschule im Blick, deren Abteilung Tanz durch Namen wie Kurt Jooss, Hans Züllig oder Pina Bausch weltweit Ansehen genoss.

Rheinisches Intermezzo

Es kam anders. Der diesjährige Träger des Deutschen Tanzpreises, der heute bei einer Gala im Aalto-Theater verliehen wird, stieg in Düsseldorf aus dem Zug - und hatte kurz darauf einen Vertrag bei Erich Walter in dessen Ballettkompanie an der Deutschen Oper am Rhein in der Tasche. Kein schlechter Start für einen jungen Tänzer. Düsseldorf zählte damals mit 80 Tänzern auch zahlenmäßig zu den großen klassischen Ensembles der Republik, in der Liška sich seither heimisch fühlt.

Und Essen? „War waren oft dort. Aber eben im Museum Folkwang, nicht an der Hochschule, es sei denn zu Tanzaufführungen. Und in Villa Hügel zu den großen Ausstellungen“. Wir. Das waren bald Liška und seine spätere Ehefrau Colleen Scott, ebenfalls Tänzerin bei Erich Walter. Also hat sich Düsseldorf für den hochgewachsenen blonden Tschechen, der mit 60 immer noch vital, charmant und drahtig daherkommt, in doppelter Hinsicht gelohnt.

„Auf jeden Fall war es eine verrückte Zeit“, erinnert sich Liška. „Es war soviel los, vor allem auch kulturell.“ Das Ruhrgebiet, das sich vom Krieg langsam erholt hatte, Wuppertal mit Pina, Köln mit seinem damals noch bestehenden Tanztheater und in Düsseldorf traf man in der Fußgängerzone Joseph Beuyss mit seinen Aktionen, der den Sozialismus predigte. „Für uns, die wir dieses Regime unter Mühe und Gefahr hinter uns gelassen hatten, war das die größte Verrücktheit. Aber es war Demokratie, zum Glück.“

Bevor er 1998 die Leitung des Bayerischen Staatsballetts in München übernahm, gab er schon einmal ein Gastspiel in Bayerns Hauptstadt. Von 1974 bis ‘77 war Liška Halbsolist in der Kompanie, die er heute in der 14. Spielzeit führt. Höhepunkt seiner ersten Karriere, der als Tänzer, für die gleichermaßen heute ausgezeichnet wird, waren aber die 20 Jahre, in denen er erster Solist in der berühmten Kompanie von John Neumeier in Hamburg war. Allein die dort kreierten Rollen in Neumeiers Balletten aber auch Werken von Balanchine, Cranko, Béjart, Kylian oder Hans van Manen aufzuzählen, würden diesen Rahmen sprengen. In van Manens Choreografie „The old Man and me“ steht er auch heute Abend auf der Bühne des Aalto-Theaters. Vielleicht eine Reminiszenz an die große Solistenzeit, die er mit 47 Jahren in Hamburg beendete.

Seine „zweite“ Karriere als Chef in München begann 1998. Seither schafft er dort den Spagat, die große klassische Tradition zu pflegen, das mit 2200 Plätzen größte deutsche Opernhaus zu füllen, mit einem vor neun Jahren um 27 Prozent gekürzten Etat zurecht zu kommen (in München konnte man finanziell noch von Speck reden) und zeitgenössischen Formen des Tanzes ein Forum zu bieten.

Schwerpunkt ist dabei sicherlich die Nachwuchsförderung mit der 2010 gegründeten Junior-Company . Liška führte das Ballett verstärkt an unkonventionelle Orte, in Schulen , Kulturhäuser und Parks. Sein ziel: „Die Menschen sollen sich mit ihrem Staatsballett , das sie ja auch mit ihren Steuern bezahlen, identifizieren.“

Nachwuchsförderung

Das dürfte bei Gözde Özgür sicher nicht schwerfallen. Vor vier Jahren tanzte die junge Türkin aus Ankara bei Ivan Liška vor. Seither ist die Schülerin von Steffi Scherzer (Ballettakademie Zürich) Mitglied der Münchner Kompanie. Ausgewählt aus 700 Bewerbern von denen nur 100 Frauen zum Vortanzen kamen. „Ich war Nummer 41“, erinnert sich die Tochter eines Ingenieurs und einer Innenarchitektin an diesen Sprung aus dem Stand. Natürlich sind die Eltern heute Abend dabei - und absolut stolz auf ihre Tochter, wie sie bereits in perfektem Englisch versicherten.

Restkarten für die Gala am 4. Februar um 18 Uhr im Aalto-Theater Essen gibt es noch an der Abendkasse.